HolidayCheckerin Nina Heinemann im Interview:
«Falsche Erwartungen verderben die Ferien»

Keine kennt sich in fremden Betten besser aus: Nina Heinemann testet seit Jahren für Fernsehsender Hotels, unter anderem für «Die HolidayChecker – der grosse Ferientest». Ein Gespräch über dreckige Matratzen, schlechtes Essen und wie man erst gar nicht in die Reisefallen tappt.
Publiziert: 28.07.2016 um 15:11 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 18:10 Uhr
Die Reise der Tourismus-Expertin begann 2008. Damals leitete Nina Heinemann ein Schweizer Hotel, dann wurde sie zu einem TV-Casting eingeladen. Drei Tage später sass sie bereits im Flieger. Seither testet sie weltweit Hotels und Anlagen – oft mit vernichtendem Urteil.
Foto: Anne Schönharting/Ostkreuz
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Franziska K. Müller

Frau Heinemann, was erwarten Durchschnitts-Reisende grundsätzlich von ihren Sommerferien?
Nina Heinemann: Sonne, Strand, Meer, guter Service und prima Essen. Und natürlich ein Hotel, das sich sehen lassen kann. All diese Wünsche gilt es zu erfüllen. Was nicht ganz einfach ist, denn Reisende wollen für ihre Traumferien möglichst wenig bezahlen.

Ballermann-Touristen sind wahrscheinlich weniger anspruchsvoll als ein Ehepaar mittleren Alters. Richtig?
Absolut. Eine Gruppe junger Männer geht davon aus, dass es in den sieben Tagen auf Mallorca Pommes und viel Alkohol geben wird. Das Frühstücksbuffet und die Klimaanlage interessiert sie nicht sonderlich. Das ältere Ehepaar hingegen ist anspruchsvoller. Wahrscheinlich hat es zu Hause im Internet nicht mal die Bewertungen ihres Drei-Sterne- Hotels gelesen hat und glaubt per se, ein solides Hotel gefunden zu haben. Wird es enttäuscht, gehen solche Kunden mit ziemlicher Sicherheit auf die Barrikaden. Der wichtigste Tipp für erfüllte Ferien lautet darum: Wer das perfekte Angebot finden will, muss zwingend Bewertungen im Netz lesen – Empfehlungen von Freunden ausgeschlossen.

«Auf Rosenblätter in der Toilettenschüssel können die meisten verzichten»: Nina Heinemann im Fünf-Sterne-Inselhotel in Konstanz.
Foto: Miriam Kuenzli

 

Welche Gäste motzen besonders gern und häufig – welche gar nicht?
Für Japaner ziemt es sich nicht, sich zu beschweren – bei Deutschen ist es schon fast Pflicht. Und Schweizer sind zwar qualitäts-bewusst, punkto Reklamationen aber eher zurückhaltend.

Wo gilt es vor allem Abstriche zu machen, wenn man für eine zehntägige Badereise 490 Franken bezahlt?
Hier bleiben pro Tag maximal 25 Franken pro Person für die Putzkolonne, Wäscherei, Poolreinigung, den Einkauf und die Zubereitung der Lebensmittel. In all diesen Bereichen müssen Billigreisende mit Abstrichen rechnen. Aber sie müssen nicht alles kommentarlos hinnehmen, denn auch sie sparen sich für ihren Urlaub mühsam das Geld zusammen und freuen sich elf Monate lang auf die paar Tage.

Wann sind Reklamationen erlaubt?
Falls der Anbieter Sachen ankündigt und beschreibt, die stark von der Realität ab-weichen – egal in welcher Preisklasse. Wer etwa Meerblick bucht und an eine Wand schaut, darf meckern. Oder wenn die Hygiene unzumutbar ist. Was definitiv nicht bemängelt werden kann: eine unkreative Küche, das «einheimische» Getränkesortiment, das fehlende Boxspringbett.

Welche Makel stehen auf der Hitliste der Ferienfallen ganz oben?
An erster Stelle die Sauberkeit. Gefolgt von Service, Essen, Strand, Bett. In meinen Tests habe ich alles erlebt. Fäkalien, Ungezieferplagen, demolierte Möbel und sanitäre In-stallationen. In einem Hotel in Rimini fand ich unter dem Bett sogar Bauschutteile, und das Badezimmer war ein Wirrwarr aus Bambushölzern und Keramikinstallationen, manches fiel bei der ersten Berührung auseinander. In einem Betrieb auf Ibiza war der Bettenrost aus Drähten, die Spiegel blind, die Lampen flackerten.

Lockere Schraube, der volle Hotelbus und weit entfernt liegender Strand: Machen uns Testberichte, wie sie derzeit im Fernsehen und Magazinen zu finden sind, nicht auch zu pingeligen Nörglern?
Sicher gibts auch Überreaktionen. Es ist aber mein Job, genau hinzuschauen – und herauszufinden, wie weit man vor Ort mit einer Reklamation kommt. Oder allenfalls auf die Konsequenzen hinzuweisen, wenn man damit nicht weiterkommt.

Welche?
Mitunter Schadensersatz einzufordern. Das kann man dann machen, wenn die Realität stark vom Gebuchten abweicht. Dabei ist der Katalog des Anbieters massgebend. Wird das Hotel als Anlage mit villenartigen Bungalows beschrieben, ist aber ein Betonklotz, hat man grundsätzlich Anspruch auf Schadensersatz. Das gilt auch, wenn uns der Veranstalter einen feinen Sandstrand verspricht und wir in grobem Kies stehen. Oder ein Beach-Hotel eine halbe Stunde weg vom Strand liegt. Das Problem: Auch wenn man Schadensersatz erhält, der Urlaub bleibt verdorben. Deshalb sollte man die Sprache in den Katalogen genau studieren.

Wann sollten die Alarmglocken schrillen?
«Ein familiäres, bei Stammgästen sehr beliebtes Hotel» heisst: Wir kennen uns hier alle lange und gut – und mögen eigentlich keine neuen Leute unter dem Dach. Und: Unseren Gästen ist es egal, dass wir nicht renovieren. Eine «verkehrsgünstige Lage» kann bedeuten, dass der Betrieb und damit das Zimmer an -einer dreispurigen Strasse liegen. Und mit dem Begriff «landestypisch» lässt sich nahezu alles rechtfertigen – schreckliche Einrichtungen, furchtbares Essen, ja sogar ungeputzte Badezimmer.

Sie kennen Tausende Hotels. Was nervt Sie persönlich am meisten?
Unfreundliches, patziges Personal. Selbst die tollste Unterkunft wird dadurch zum No-Go. Es ist erschreckend, wie oft Angestellte ignorieren, dass sie im Dienstleistungsbereich arbeiten, dass ihre Befindlichkeiten im Job keine Rolle spielen. Und dass sie die Pflicht haben, einem Gast den Einstieg in die Ferien und den Aufenthalt so nett als möglich zu gestalten. Freundlichkeit und guter Service haben nichts mit Geld zu tun, sondern mit Haltung. Aus diesem Grund ärgern mich Versäumnisse in diesem Bereich besonders.

Welche Katastrophen provozieren die Gäste selber?
Viele Menschen lassen sich von den Bildern und Beschreibungen in den Katalogen verführen – statt darauf zu achten, was ihnen selbst am wichtigsten ist. Experten bezeichnen individuelle Befindlichkeiten und Bedürfnisse als weiche Kriterien. Diese können Anbieter nur selten ganz erfüllen und haben mit der eigentlichen Qualität des Angebots nur wenig zu tun.

Was sind solche Faktoren?
Dem einen ist es wichtig, dass die Menükarte im Restaurant ständig wechselt und man von morgens bis abends bedient wird. Andere erwarten ein grosses Zimmer mit Aussicht. Man sollte deshalb genau überlegen, was einem in den Ferien wichtig ist und das Hotel erst danach und gezielt aussuchen. Falsche Erwartungen sind Gift für die Ferien.

In Testberichten fallen Billighotels oft durch. Gibts das perfekte und günstige Angebot überhaupt?
Durchaus, solche Hotels und Anlagen gibt es zuhauf. Nur sind sie für manche Fernsehsender weniger attraktiv.

Bedeuten teure Ferien generell weniger Stress?
Nicht immer. Denn damit verknüpft man mehr Erwartungen, die Gefahr wächst, enttäuscht zu werden. Sagen wir es so: In teueren Angeboten ist Gastlichkeit und Authentizität oft besser verankert, und man weiss im Vorfeld eher, was man fürs Geld bekommt.

Und was nicht.
Genau. Auf Rosenblätter in der Toilettenschüssel oder Kondome auf den Kopfkissen können aber die meisten verzichten.

Gibt es einen verbindlichen Konsens, was Begriffe wie «komfortabel» oder die Zahl der Hotelsterne bedeuten?
Leider nein, und je allgemeiner ein Begriff ist, desto grösser ist auch der Spielraum für die Anbieter. In der Schweiz oder in Deutschland verweisen drei Sterne auf eine gehobene Unterkunft, auf guten Service, Möbel, die zusammenpassen, die bediente Rezeption und anderes. Dieser Massstab gilt jedoch nur für den deutschsprachigen Raum oder auch für die USA. Anderswo läuft der Hase ganz anders. Dort interpretiert man Komfort, Geräumigkeit und so weiter sehr fantasievoll. Einmal buchte ich eine Fünf-Sterne-Hotel-anlage in der Türkei. Das einzige Fleisch, das sie dort servierten, waren Innereien vom Huhn. Die Salate rührte ich erst gar nicht an, aus Angst vor einer Lebensmittelvergiftung. Der Esssaal lag im Keller, neben dem Fitnessraum.

Terroranschläge verderben uns derzeit die Reiselust. Ihnen auch?
Jein. Ich komme gerade aus Ägypten – bis auf einen ziemlich leeren Flughafen und schlecht ausgelastete Hotels gab es dort nichts, was an Terror erinnert hätte.

Sprechen die Tatsachen nicht für sich? Denken wir beispielsweise an den Anschlag auf dem Flughafen von Istanbul.
Meiner Meinung nach sind viele Tourismusregionen sicherer als ihr Ruf. Ich würde zwar auch nicht auf den Tahrir-Platz in Kairo gehen oder die Hagia Sophia in Istanbul besuchen. In manchen Hotels werden aber Sicherheitsschleusen am Eingang aufgebaut, zusätzliches Sicherheitspersonal angestellt. Die komplette Sicherheit kann niemand gewährleisten, auch nicht mit Standards. Das gilt für alle Länder und Städte.

Immer beliebter sind Kreuzfahrten, weil sie als sicherer gelten. Zu Recht?
Bis anhin ist noch kein Schiff ins Visier des Terrors geraten. Glücklicherweise. Ich persönlich bin ein grosser Fan von Kreuzfahrten. Allerdings gibts auch hier manches, was einem die Laune verderben kann. Die Zahl der Kabinen, die Ausstattung, das Unterhaltungsangebot. Wer die Angebote nicht genau checkt, riskiert unter Umständen horrende Rechnungen – an Bord gibts ja keine Alter-nativen. Vieltrinkern etwa empfehle ich sogenannte Getränke-Pakete, alle anderen sollten darauf verzichten. Ausflüge gehören auf Kreuzfahrten auch mit dazu, sie werden aber mitunter zu extremen Preisen verkauft. Weit besser: Am Pier entlanglaufen und sich heimische Anbieter für einen begleiteten Landgang suchen.

Wo machen Sie privat am liebsten Ferien? Auf Balkonien?
Eine Zeit lang war das so. Mittlerweile ist meine Tochter zweieinhalb Jahre alt – und, weil sie noch nicht schulpflichtig ist, peilen mein Mann und ich in den kommenden Jahren Fernziele an. Dieses Jahr waren wir in Kapstadt, nächstes Jahr wollen wir nach Hawaii. Auch Mallorca gehört noch immer zu meinen liebsten Reisezielen. Indessen konzentriere ich mich in der Ferienplanung auf zwei Punkte: konstante Wetterverhältnisse und eine gute Infrastruktur rund um die Unterkunft.

«Die HolidayChecker – der grosse Ferientest» mit Tanja Gutmann und Nina Heinemann ist als Wiederholung auf SAT.1 Schweiz zu sehen: jeweils am Samstag um 18.30 Uhr.

Jägerin der Kakerlaken

Nina Heinemann (36) ist die prominenteste und härteste TV-Hoteltesterin im deutschsprachigen Raum. Die aus Münster (D) stammende Tourismus-Expertin arbeitete für diverse Fernsehstationen. Als sie gebeten wurde, es mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen, mehr Schimmel, mehr Kakerlaken zu präsentieren, kündigte sie. Der grosse Durchbruch gelang ihr später mit dem Format «Die HolidayChecker – der grosse Ferientest», das sie mit Ex-Miss-Schweiz Tanja Gutmann moderierte. Sie lebt mit ihrem Partner und der bald dreijährigen Tochter in der Schweiz am Bodensee.

Nina Heinemann (36) ist die prominenteste und härteste TV-Hoteltesterin im deutschsprachigen Raum. Die aus Münster (D) stammende Tourismus-Expertin arbeitete für diverse Fernsehstationen. Als sie gebeten wurde, es mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen, mehr Schimmel, mehr Kakerlaken zu präsentieren, kündigte sie. Der grosse Durchbruch gelang ihr später mit dem Format «Die HolidayChecker – der grosse Ferientest», das sie mit Ex-Miss-Schweiz Tanja Gutmann moderierte. Sie lebt mit ihrem Partner und der bald dreijährigen Tochter in der Schweiz am Bodensee.

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