Ein Prinz, zwei Ringe und Milliarden von Zuschauern
Die Royals sind nur noch zur Show da

Die Hochzeit des Jahres von Prinz Harry (33) und Meghan Markle (36) ist ein unterhaltsames Spektakel. Mit Happy End für Adel und Volk.
Publiziert: 19.05.2018 um 10:00 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 05:16 Uhr
Heute ist es soweit: Die Hochzeit des Jahres findet statt. Prinz Harry und Meghan Markle werden sich das Eheversprechen geben. Und alle Welt wird zuschauen.
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Christiane Binder

Heute läuft die neueste Folge der Reality-Show «Die Royals». Titel: «Die Hochzeit des Jahres». Schätzungsweise 750 000 Menschen verfolgen die Kutschfahrt des Brautpaars live in London. Zwei Milliarden Fans kleben weltweit am Fernseher. Was für ein Brautkleid trägt Meghan? (Ein Bombastisches, das ist sicher.) Wie viele Kilos hat sie in den vergangenen Wochen abgenommen? (Mindestens fünf, wenn nicht mehr.) Wird der Prinz es wagen, beim Brautkuss die Zunge einzusetzen? (Eher nicht.)

Fragen, die die Welt bewegen. Selbst Germaine Greer sah sich bemüssigt, als Orakel in Erscheinung zu treten. Meghan Markle werde ihrem Gatten in fünf Jahren davonlaufen. Als eingefleischte Amerikanerin könne sie mit dem starren britischen Hofzeremoniell niemals klarkommen, behauptete die 79- jährige Australierin. Wohlgemerkt, sie ist nicht irgendeine Klatschtante. In den 70ern war sie einer der intellektuellen Köpfe der internationalen Frauenbewegung.

Königshäuser sind Aushängeschilder ihrer Länder

«Königliche Hoheiten haben heute einen Stellenwert wie Superstars», sagt Rolf Seelmann-Eggebert. Wenn einer weiss, wie Royals ticken, dann er, der Doyen der deutschen Adelsexperten, mittlerweile 81 und pensioniert. Ein Faktor der weltumspannenden Beliebtheit der Königsfamilien sei ihre Seltenheit, erklärt er.

Mit Ausnahme der republikanischen Schweiz hatte einst jedes europäische Land einen königlichen Herrscher. Geblieben sind gerade mal sieben Herrscherhäuser, «Aushängeschilder ihrer Länder», wie sich Seelmann-Eggebert ausdrückt.

Feiert der Hof eine Party, ist das fürs Volk eine willkommene Gelegenheit, sich mit Gleichgesinnten an sich und der Welt zu erfreuen und gemeinsam ein Bier oder zwei zu trinken. Wie beim Heavy-Metal-Festival in Wacken (D). Oder einem Helene-Fischer-Konzert.

Das blaublütige Hochzeitspaar auf Geschirr: Das Volk verehrt seine Monarchen wie Fans – nicht wie Untertanen.

Nur versammeln sich bei einer mit altmodischem Pomp zelebrierten königlichen Hochzeit die Romantiker – Menschen, Frauen vor allem, die von Märchenschlössern, güldenen Karossen und Prinzessinnen träumen. Natürlich hatten in Wirklichkeit weder die Erlauchten ein beneidenswertes Leben, noch war das Volk gut bedient mit ihrer Herrschaft.

Nichts war früher besser, als es heute ist. Der Adel bestimmte, das Volk duldete; erst 1807 schaffte das alte Preussen die Leibeigenschaft ab. Was Könige mit ihrem Volk anstellen durften, ist in unseren modernen Zeiten nicht mehr nachvollziehbar. Bei uns hat ein Politiker schon ein Problem am Hals, wenn er mal 100 Kilometer privat mit dem Dienstwagen fährt.

Früher verkauften Herrscher ihre Untertanen als Soldaten

Der Adel schoss die prächtigsten Hirsche, plünderte auf seinen ­Feldzügen die Weinkeller, Ställe und Kornspeicher seiner Untertanen, die er bei Bedarf auch ohne weiteres verkaufte. Ein Carl Eugen von Württemberg (1728–1793) etwa, dessen luxuriöser Lebensstil Unsummen verschlang, verscherbelte seine «Landeskinder» als Söldner für den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Junge Kerle ab 18 Jahren, die gingen natürlich nicht freiwillig, zumal sie Uniform und Überfahrt aus der eigenen ­Tasche zu bezahlen hatten. Menschenhandel nennt man das heute bei uns.

Andere wie Ludwig II. von Bayern (1845–1886) zerrütteten den Staatshaushalt, um wie im Rausch Prunkschlösser à la Neuschwanstein zu bauen. Zumeist verbrachte er dort nicht mal eine Nacht. Diener hielten es nicht lange bei ihm aus, denn der König beliebte handgreiflich zu werden. Während sich heterosexuelle Herrscher unwidersprochen und notorisch am weiblichen Personal vergriffen, erfreute sich der schwule Ludwig an hübschen Untertanen-Knaben, die er nackt auf Pferden vortraben liess. Das Volk nahm es achselzuckend hin. Was hätte es auch sonst tun können?

Doch auch das Leben der Hoheiten hätte niemals Stoff für eine Seifenoper abgegeben. Zu langweilig und trist oder beides zugleich. Die berühmte Marie-Antoinette (1755–1793), eine kapriziöse Schönheit, süchtig nach Mode, meterhohen Frisuren und dem Pharo-Spiel, würde heutzutage vor lauter Unglück eine Armee von Psychologen beschäftigen, einem Guru verfallen oder Drogen nehmen.

Mobbing und sexuelle Unlust am französischen Hof

Als Tochter von Österreichs Kaiserin Maria Theresia (1717–1780) und Kaiser Franz I. von Lothringen 1708–1765)) als 15. Kind geboren, zwängte man Maria Antonia bereits mit drei Jahren in ein Korsett, das ihr den Atem raubte. Sie lernte Cembalo, Harfe, Gesang und Sticken – für ein Mädchen reichte das. Da die Mutter den Bund mit Frankreich zu festigen wünschte, wurde die 14-Jährige mit dem späteren Louis XVI. (1754–1793) zwangsverheiratet. Im April 1770 schickte man das noch halbe Kind wie ein Paket mit einem fünf Kilometer langen Kutschenzug von Wien nach Paris, umgeben von Hofschranzen und Dienstboten. Ihre Familie sah sie nie wieder.

Am 7. Mai erfolgte auf neutralem Gebiet, einer Rheininsel vor Strassburg, die Übergabe der Ware. Maria Antonia wurde zu Marie-Antoinette. Der künftige Gatte, ein verstockter 16-Jähriger, zeigte sich sperrig – was sich nach der Hochzeit am 16. Mai in Versailles nicht ändern sollte. Bei den Feierlichkeiten futterte der Pubertant dermassen unmässig, dass der Leibarzt sich zum Hinweis veranlasst sah, das sei vor der Brautnacht nicht zu empfehlen. Doch Jung Louis hatte an der kleinen Österreicherin kein Interesse.

Lustlos und, wie sich ­später herausstellte, mit einer Vorhautverengung, bequemte er sich erst nach sieben Ehejahren zur Zeugung eines Kindes – Marie-Thérèse-Charlotte, die Ende 1778 auf die Welt kam. Der ersehnte männliche Dauphin folgte erst 1791. Der Hof sah die Schuld am Debakel bei Marie-Antoinette, gemobbt als die «österreichische Hündin» («l’Autrichienne»), der man wahlweise lesbische Neigungen oder sexuelle Eskapaden vorwarf. 1789 war endgültig Schluss mit lustig. Infolge der Französischen Revolution endete das Königspaar unterm Fallbeil.

Derweil litten die männlichen Königskinder unter ihren sadistischen Vätern. Besonders krass erging es Preussens Kronprinz Friedrich (1712–1786). Der spätere Friedrich der Grosse wagte mit seinem Freund Hans Hermann von Katte (1704–1730) die Flucht aus dem Schreckensregiment des Alten; beide wurden gestellt. Der König verfügte gegen Katte die Todesstrafe – bei der Vollstreckung musste Friedrich zusehen. Er war erst 18.

Für die Monarchie zahlen die Briten jährlich etwa 40 Millionen Pfund.

Verglichen mit dem Hundeleben der einstigen Könige haben es moderne Royals wie im Himmel. Harrys Vater, Prinz Charles (69), ein sensibler Mann, der sich für das Leben der Pflanzen interessiert, hat seinen Söhnen wahrscheinlich keinen einzigen Klaps verpasst. Moderne Könige sind politisch abgemeldet.

Aber sie dürfen aus Liebe heiraten, und wenn sie mal einen über den Durst trinken oder das falsche Kleid tragen, werden sie höchstens in den Klatschspalten guillotiniert. Heute gelesen, morgen vergessen. Ihre einzige Königspflicht: eine tolle Show abzuliefern.

Für ihre Monarchie zahlen die Briten pro Jahr etwa 40 Millionen Pfund. Das sind pro Einwohner 65 Cent.Für einen Kinobesuch würde man ein Vielfaches hinblättern. Trotzdem: Wenns hart auf hart kommt, erklärt Experte Seelmann-Eggebert, «genügt ein Federstrich des Parlaments, und die Monarchie ist abgeschafft. Moderne Hoheiten wissen: Wenn sie überdrehen, sind sie weg vom Fenster».

Revolution hinter morschen Palastmauern

Das Fehlen antimonarchistischer Umtriebe in den letzten Monarchien Europas erklärt er aus der Fähigkeit der Königshäuser, mit der Zeit zu gehen. Verbohrtes Hofgetue, wie Germaine Greer wähnt? Im ­Gegenteil, behauptet er. Hinter den Mauern morscher Paläste spiele sich eine «Revolution» ab. Heutige königliche Hoheiten seien Voll­profis, bestens vorbereitet für ihre Rolle als Superstars. Dazu gehöre auch, dass sie den Standesdünkel auf den Müll der Geschichte entsorgt haben und in Serie Bürgerliche ehelichen.

So darf sich das Publikum freuen auf eine weitere unterhaltsame Folge der königlichen Soap. Harry, dieser sympathische Kerl, der sich nach seiner wilden Jugend mit ­Feuereifer in seine neuen Pflichten stürzt, wird seinen Part mit Bravour spielen. Mit Meghan, die toll in Yoga ist und Smoothies liebt, hat er einen guten Fang gemacht.

Das alte britische Empire vermählt sich mit dem einst blutig bekämpften Amerika. Ein sommersprossiger Repräsentant der weissen Rasse darf eine Frau mit afroamerikanischen Wurzeln lieben. Soll einer sagen, das mache nicht neugierig auf die Fortsetzung.

Auch das Wetter spielt mit. Kein Regen heute. Angenehme 17 Grad. Und immer wieder scheint die Sonne auf. 

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