Guru, Werber und ein bisschen Journalist
Warum so viele Influencer werden wollen

Der Influencer Paul Denino (24) flog aus einem Zürcher Hotel. Eine Ausnahme. Denn eigentlich sind Influencer die Werbebotschafter des Internet-Zeitalters.
Publiziert: 19.10.2018 um 01:16 Uhr
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Aktualisiert: 30.10.2018 um 15:47 Uhr
«Die machen Schleichwerbung»
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Christiane Binder

Paul Denino (24), besser bekannt unter seinem Internet-Namen Ice Poseidon, machte in Zürich richtig Zoff. Als der amerikanische Influencer im Hotel Schweizerhof auftauchte, fielen seine Follower wie Heuschrecken ein und legten den Hotelbetrieb lahm. Poseidon flog raus.

Ice Poseidon – wer zum Teufel ist das? Kaum jemand über 25 hat je von ihm gehört. Das Influencer-Marketing ist ein junges Business, knapp ein Jahrzehnt alt. Zielgruppe sind die 14- bis 25-Jährigen. Deninos Ding: Er inszeniert sein Leben in Echtzeit im Internet. Seine Follower – Ältere würden Jünger sagen – bezahlen ihm als Gegenleistung fürs Entertainment seine Ausgaben.

Influencer fliegt an einem Tag aus zwei Zürcher Hotels
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«Influencer» kommt von englisch «to influence» (beeinflussen). Es bezeichnet eine digitale Form der Werbung, ermöglicht durch den Aufstieg von Internet-Plattformen. Es geht ganz easy: Ein hipper junger Mensch, der auf Facebook, Youtube und Instagram gut vernetzt ist, führt eine Designerhandtasche spazieren oder zeigt sich im Gucci-Shirt. Tasche wie Shirt sind Sponsorengaben. Denn eigentlich soll der junge Mensch den Verkauf anheizen. Der Deal klappt offenbar ziemlich gut – vor allem für die Influencer-Gurus.

Berufswunsch Influencer

Die Urmutter der Szene, Chiara Ferragni (31), startete 2009 noch in Prä-Instagram-Zeiten mit ihrem Blog «The Blonde Salad». Heute ist sie in den Top Ten der «Forbes»-Liste. Geschätztes Jahreseinkommen: mehr als sechs Millionen Franken. Die Schweizer Überfliegerin Kristina Bazan (24) mit ihren 2,5 Millionen Instagram-Followern soll zwischen 5000 und 20'000 Franken pro Auftritt im Internet einstreichen. Wenig überraschend, dass Teenager heute Influencer werden wollen. Coiffeuse reicht nicht mehr.

Werbeträger für Edelmarken: Bryan Yambao (34) ist einer der wenigen Männer unter den Fashion-Influencern. Er startete 2004 mit dem Blog «bryanboy» und ist heute in den Top Ten der «Forbes»-Liste.
Foto: Instagram
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Die Influencer präsentieren die Ware subtil, wie zufällig und in einem Rahmen, der ein beneidenswertes Leben suggeriert – in Paris, unter Palmen, im satinbezogenen Hotelbett, gern dürfen auch Sonnenuntergänge leuchten, makellos dank Fotofilter. Die Lippen der durchwegs weiblichen Werber sind verführerisch geschürzt, man macht vor allem PR für sich selbst.

Bewunderung durch Altersgenossen

Ältere mögen das hohl finden. Dabei sind Product Placement oder Werbung mit Prominenten Alltag. Denn natürlich fährt James Bond nicht deshalb Aston Martin, weil er den Wagen so toll findet. Das wissen auch die über 50-Jährigen. Und wenn Roger Federer in TV-Spots Teigwaren kocht, schadet das seinem Image nicht. Es gibt nur einen Unterschied: Die Markenbotschafter der alten Welt haben sich ihren Ruf erarbeitet – analog, in der Wirklichkeit.

Die neuen Gurus hingegen sind nicht deshalb berühmt, weil sie irgendwas können. Im Gegenteil, viele wirken ziemlich talentfrei. Sie verstehen sich nur auf eines: die Bewunderung durch Millionen Altersgenossen zu erhaschen. Influencer sind in der globalen Netzwelt das, was früher die Stars in der Dorfdisco waren: Alle wollen so sein wie sie.

Die Industrie sah sie als Geschenk. Endlich hatte man die Generation Smartphone an der Angel. Leute, für welche herkömmliche Werbung Luft ist. Denn sie lesen weder Printmedien, noch haben sie einen Fernseher. Wie simpel Influencer-Marketing funktioniert, konnte man erleben, als Heidi Klum (45) im vergangenen Herbst ihre Lidl-Kollektion in New York präsentierte. Die geladenen Influencer wurden gebauchpinselt wie Stars. Klum hatte ihnen Mäntel im auffälligen Leo-Print geschenkt, die sie mit professionellem Enthusiasmus überstülpten. Die Bilder gingen um die Welt. Die Gefolgschaft war entzückt.

Oder doch nicht? Spricht man mit Insidern aus der Schweizer Lifestyle-Branche, hat man in den letzten zehn Jahren dazugelernt: Nicht jeder Influencer kurbelt automatisch den Verkauf an. Manche sind bloss Schnorrer und Schmarotzer. Oder sie ziehen nur für sich selbst Profit aus der Sache – wie Ice Poseidon.

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