Papst Franziskus
Wie liberal ist dieser Papst?

Homosexuellen Paaren spricht Papst Franziskus den Familienstatus ab. Abtreibungen vergleicht er mit Nazi-Gräueln. Lob findet er dafür für Frauen, die fremdgehenden Männern vergeben. Franziskus ist radikaler als seine Vorgänger, aber längst nicht liberal.
Publiziert: 18.06.2021 um 18:18 Uhr
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Aktualisiert: 12.01.2022 um 15:18 Uhr
Fabian Vogt

Welche Werte predigt der Papst? An einem Forum katholischer Familien äusserte sich der 81-Jährige zur gleichgeschlechtlichen Ehe und zu Abtreibung. Dabei wurde einmal mehr offensichtlich, dass er längst nicht so liberal ist, wie er gerne dargestellt wird.

Homosexuelle können keine Familie sein

Nur Männer und Frauen können nach Ansicht von Franziskus eine Familie sein, sagte er laut der italienischen Nachrichtenagentur Ansa. Zwar würden die Menschen heutzutage von vielen Formen von Familien sprechen, aber die Familie als Ebenbild Gottes seien einzig Mann und Frau. Das Statement kam ausgerechnet an dem Tag, an dem die Teilnehmer des «Zürich Pride Festival» in Rekordbeteiligung durch die Strassen marschierten und die «(Zivil)-Ehe für alle» forderten.

In der Vergangenheit kritisierte Franziskus zwar die Kirche, sich zu sehr auf Abtreibungs- und Verhütungsdebatten zu konzentrieren, und sagte, es sei nicht an ihm, über Homosexuelle zu richten. Doch als gleichwertig empfindet er die gleichgeschlechtliche Beziehung trotzdem nicht, wie er nun (nicht zum ersten Mal) deutlich machte. Reformen in der Lehre der katholischen Kirche über Sexualität und Familienplanung gab es unter ihm zudem bisher nicht.

Papst Franziskus polarisiert. So liberal, wie ihn viele Befürworter gerne sehen, ist er allerdings nicht.
Foto: Giuseppe Ciccia

Ob ein neuer Papst solche Reformen bald anstossen könnte, ist zweifelhaft. Fünf Jahre wolle er Papst sein, sagte Franziskus nach seiner Wahl am 13. März 2013. Diese fünf Jahre sind mittlerweile um – der Rücktritt kein Thema mehr.

Zurück zum Samstag: Franziskus lobte auch Frauen, die ihren fremdgehenden Männern vergeben. Viele von ihnen – und manchmal auch Männer – würden wegschauen und warten, bis ihr Partner wieder treu werde, sagte der Papst bei einem Forum katholischer Familien. «Das ist Heiligkeit, die aus Liebe alles vergibt.»

Nazi-Vergleich beim Thema Abtreibung

Er sprach sich auch einmal mehr vehement gegen die Abtreibung aus. Dabei verglich Franziskus Abtreibungen schwerkranker Föten mit Programmen der Nationalsozialisten. «Im vergangenen Jahrhundert war die ganze Welt schockiert davon, was die Nazis getan haben, um die Reinheit der Rasse sicherzustellen. Heute tun wir dasselbe, nur mit weissen Handschuhen», wurde der Papst zitiert. Man sollte Kinder so akzeptieren, wie sie seien, auch wenn sie manchmal krank seien, fügte er hinzu.

Papst Franziskus ist mittlerweile seit fünf Jahren im Amt und polarisiert stärker als seine Vorgänger. Zu Beginn jubelten die Liberalen, es schien, als würde mit Franziskus eine Rundumerneuerung der katholischen Kirche Einzug halten.

Am stärksten verändert hat Franziskus jedoch das Papstamt selber: Er wohnt nach wie vor im Gästehaus Santa Marta statt im Apostolischen Palast, wo er jeden Morgen den Gottesdienst feiert, wie ein einfacher Pfarrer. Er lässt sich im Mittelklassewagen fahren, trägt ausgelatschte Gesundheitsschuhe. Seine Bescheidenheit ist nicht aufgesetzt, sondern Programm: Wenn die Kirche an der Seite der Armen stehen soll, dann müssen auch ihre Vertreter einfach leben, sagt Franziskus bei jeder Gelegenheit.

In Zeiten, in denen die Kirche für ihren Reichtum oft kritisiert wurde, kann ihr das nur gut tun.

Auch sonst ist Franziskus dann stark, wenn es um Symbolik geht: Die erste Reise führte auf die italienische Flüchtlingsinsel Lampedusa, bei seinem Kurztrip zur Insel Lesbos nahm er ein paar der dort Gestrandeten gleich mit nach Rom. Die Kirche näher zu den Menschen bringen ist sein erklärtes Ziel. Dafür handelt er zuweilen radikal, aber kaum je liberal.


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