So funktioniert das Metaverse
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Meta-Chef in Zürich erklärt:So funktioniert das Metaverse

Die Tech-Giganten und das Web 3.0
Metaverse – Hype oder Zukunft?

Weltweit tüfteln Informatikkonzerne an der nächsten Stufe des Internets. Dank persönlicher Avatare werden aus Nutzern der virtuellen Welt handelnde und konsumierende Teilnehmer der virtuellen Wirklichkeit.
Publiziert: 13.03.2022 um 13:34 Uhr
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Aktualisiert: 24.03.2022 um 11:28 Uhr
Dominik Mate

Auf einem bläulich schimmernden Tisch liegen ein Papierflieger, ein Tischtennisball plus Schläger und eine Laserpistole vor mir. Noch bewege ich mich ziemlich ungelenk und schaffe es erst nach mehreren Versuchen, den Flieger in die Finger zu bekommen. Dann aber fliegt er grazil durch den bunt leuchtenden Raum und entschwebt in die Unendlichkeit. Nein, ich bin weder im Kinderzimmer eines LED-begeisterten Kindes noch in der Stube seiner LSD-begeisterten Eltern.

Willkommen im Metaverse – zumindest im Vorraum der digitalen Zukunft!

Metaverse ist das Wort der Stunde, die nächste Stufe des Internets, Web 3.0. Facebook hat sich in Meta umbenannt, um der Welt klarzumachen, in welche Richtung sie sich bewegen wird. Nach den Worten von CEO Mark Zuckerberg (37) ist das Metaverse ein verkörpertes Internet, in dem man tatsächlich ist, statt nur von aussen zuzuschauen. Man kann sich das Ganze als Paralleluniversum vorstellen, in dem grundsätzlich alles möglich ist, solange es jemand programmiert.

Der Begriff Metaverse («meta» bedeutet darüber hinaus, «-verse» steht für Universe) wurde erstmals 1992 von Neal Stephenson (62) in seinem Science-Fiction-Roman «Snow Crash» erwähnt. Es handelt sich um eine weltumspannende virtuelle Realität, in der Menschen durch Avatare repräsentiert werden – genau die Zukunft, in der wir bald einen Grossteil unseres Alltags verbringen sollen. Jeder grosse Konzern will nun sein eigenes Metaverse auf den Markt bringen.

SonntagsBlick-Redaktor Dominik Mate testet die Virtual-Reality-Brille Oculus Quest 2 im Zürcher Meta-Hauptquartier.
Foto: Philippe Rossier
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«Echte» Online-Meetings

Für den Sprung ins animierte Universum braucht es nichts weiter als ein Virtual-Reality-Headset und zwei Controller, mit denen man seine virtuellen Hände steuert. Schon nach einer kurzen Eingewöhnungsphase funktioniert das erstaunlich präzise. Es geht dabei um mehr als nur um Spiel und Spass. Auch das Berufsleben soll vom Web 3.0 auf den Kopf gestellt werden. «Das Metaverse erlaubt eine natürliche menschliche Interaktion und kreatives Zusammenarbeiten, ohne physisch am selben Ort sein zu müssen», sagt Rasmus Dahl (55), der Zürcher Standortleiter von Meta. «Man kann beispielsweise gemeinsam an virtuellen Wandtafeln brainstormen. Dank der Avatare merkt man keinen Unterschied mehr zwischen digitalen und echten Meetings.»

Dies ist aber erst der Anfang. Die Wohnungsbesichtigung kann virtuell stattfinden, ohne Warteschlange vor dem Haus. Auch Schulungen, Führungen, Workshops, Konzerte und Modenschauen liessen sich an jedem Ort der Welt von einer unbegrenzten Teilnehmerzahl besuchen.

Im medizinischen Bereich sind die Anwendungsmöglichkeiten ebenfalls breit gestreut. Unlängst konnte an der Zürcher Universitätsklinik Balgrist die weltweit erste holografisch navigierte Wirbelsäulenoperation durchgeführt werden – mithilfe der Mixed-Reality-Brille HoloLens von Microsoft.

Damit man sich im digitalen Raum bewegen kann, brauchen die Nutzer einen Avatar. Der will natürlich modisch eingekleidet werden, weshalb Firmen wie Adidas, Nike und Polo Ralph Lauren für Hunderttausende Dollar virtuelle Grundstücke in Metaverse-Ablegern mit klangvollen Namen wie Decentraland oder Sandbox ersteigert haben, um in virtuellen Boutiquen Kleider an Avatare zu verkaufen. Für echtes Geld, versteht sich.

Zweites Second Life?

Manche mögen sich an Second Life erinnern, das erste Metaverse, das 2003 das digitale Licht der Welt erblickte. Nach einem Riesenhype endete das Projekt in einem fulminanten Flop – sogar der Second-Life-Erfinder Philip Rosedale (53) sieht deshalb für die Zukunft schwarz.

Die Tech-Unternehmen lassen sich aber nicht beirren und nehmen sehr viel Geld in die Hand. Alleine 2021 investierte Meta 10 Milliarden Dollar in diesen Bereich. Microsoft hat für den Spieleentwickler Blizzard 70 Milliarden auf den Tisch gelegt, unter anderem in der Hoffnung, Nutzer und Rechte für sein eigenes Metaverse zu gewinnen.

Bloomberg sieht schon für 2024 einen Umsatz von 800 Milliarden Dollar für alle Metaverse-Projekte zusammen voraus. Bis ein Grossteil der Menschheit Smartphones gegen Virtual-Reality-Brillen tauschen wird, dauert es aber gewiss noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte.

Statt einer urplötzlich stattfindenden digitalen Revolution handelt es sich laut Rasmus Dahl um einen stetigen Prozess, bei dem immer weitere Funktionen und Geräte entwickelt werden.

Mittlerweile mehren sich aber auch die kritischen Stimmen. Der Meta-Konzern ist nach diversen Skandalen nicht für einen ausgeprägten Datenschutz bekannt und trägt nicht ganz unverschuldet den inoffiziellen Titel «Datenkrake» .

Gegenüber SonntagsBlick äussert der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte Adrian Lobsiger Bedenken, dass Virtual-Reality-Brillen ihre gesamte Umgebung scannen und Informationen in Echtzeit über das Internet verbreiten – ein massiver Eingriff in die Privatsphäre.

Datenschutz mit Vorbehalt

Die Brillen zeichnen auch Blicke, Mimik, Stimme und Körperhaltung ihrer Nutzer auf und speichern sie in der Cloud. Dass da die Gefahr eines Identitätsdiebstahls droht, liegt auf der Hand.

Meta verspricht, strenge Datenschutzrichtlinien einzuführen, will andererseits aber keine Verantwortung für Dienste fremder Anbieter übernehmen, die mit dem Metaverse verbunden sind.

Online-Games und soziale Medien können abhängig machen, symptomatisch sind eine verminderte Selbstkontrolle und ein geringes Interesse an Alltagsaktivitäten. Die Organisation Sucht Schweiz geht davon aus, dass sich diese Probleme im Metaverse noch verstärken, da es ein vollständiges Eintauchen in virtuelle Welten noch leichter macht, den Bezug zur Realität zu verlieren.

Nach 20 Minuten beende ich meine ersten Gehversuche im Metaverse und setze die Virtual-Reality-Brille ab. Ich bin verschwitzt, brauche ein paar Sekunden, um mich an die Realität zu gewöhnen und wieder im Konferenzzimmer von Meta Zürich anzukommen.

Der Einstieg in die virtuelle Welt hat Spass gemacht, und ich bin beeindruckt, wie weit die Technik schon ist. Aber meinen gesamten Arbeitsalltag oder sogar meine Freizeit komplett im Metaverse zu verbringen – dafür bin ich dann doch noch nicht bereit.

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