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ETH stellt zwei aussergewöhnliche Projekte vor
Diese Roboter retten Leben

Dieses Wochenende stellt die ETH an der Art Safiental zwei aussergewöhnliche Robotik-Projekte vor, welche Leben retten oder wieder lebenswerter machen können.
Publiziert: 05.09.2020 um 14:56 Uhr
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Aktualisiert: 07.09.2020 um 11:58 Uhr
Silvia Tschui

Wer ein Mann ist oder Mami eines Buben, weiss: Roboter gehören zu den grössten Bubenträumen überhaupt. Die kleinen Kerls basteln sie aus Karton, zeichnen sie, wünschen sich Robo-Bausätze zu Geburtstagen und Weihnachten, besuchen Lego-Robotik-Kurse und lesen Bücher wie «Mein Freund der Roboter» oder «Otto und Robotto».

Die gute Nachricht für alle kleinen Robotik-Fans: Wer an seinen Träumen dranbleibt und zudem etwas mathematisches und maschinenbauerisches Talent mitbringt, ist in der Schweiz am richtigen Ort. Denn die diversen Projekte und Abteilungen für Robotik an der ETH Zürich und der EPFL Lausanne spielen weltweit in der Topliga.

(Teil-)Lahme lernen wieder laufen

Dieses Wochenende werden gleich zwei bahnbrechende und ziemlich spektakuläre Schweizer Robotik-Entwicklungen live vorgestellt – und zwar an der «artsafiental» im Safiental. Um 13.30 Uhr startet von der Tenner Alp Bleichtaboda eine Art Gipfelsturm: Der ETH-Professor für sensomotorische Systeme Robert Riener (51) und sein Team stellen eine Art Anzug vor, der sozusagen unser Skelett und unsere Muskulatur ergänzt. Der «Myosuit» – die Vorsilbe «Myo» stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet «Muskel» – stützt unsere Bewegungsabläufe durch Sensoren und elektrische Impulse von aussen.

Der «Myosuit» ist eine Art weiches, äusseres Skelett.
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Zugegeben: Die Forschung hat unsympathische Vorgänger. Das US-Militär etwa hat lange (und für teures Geld) an sogenannten «Exoskeletten» geforscht. Das Ziel: US Soldaten im Kampf schneller und stärker zu machen. Diese ganze Forschung ist gemäss Riener komplett gescheitert: Die Batterien seien jeweils nach spätestens 30 Minuten leer gewesen, der Anzug zu schwer und störungsanfällig, kurz: unbrauchbar. Umso erfreulicher, dass die Grundlagenforschung nun statt als «Kampfskelett» als «Muskelanzug» im therapeutischen Bereich einsetzbar ist.

Rieners Entwicklung ist als erster Protoyp bereits in 25 Schweizer Kliniken im Einsatz. Zehn weitere Modelle sind unterwegs, eine zweite Serie in grösserer Auflage ist in Produktion. Physiotherapeuten setzen die Anzüge ein, um Muskeln zu kräftigen und die Beweglichkeit trotz Muskelschwäche zu fördern.

Unbezahlbare Mobilität für unter 7000 Franken

Binnen einem, maximal zwei Jahren soll der Myosuit auch für Privatpersonen bestellbar sein – geplant ist gemäss Riener, dass Krankenkassen die Kosten von rund 7000 Franken übernehmen. Menschen mit chronischer Muskelschwäche, etwa von Parkinson, Multipler Sklerose oder Muskeldystrophie verursacht, oder Menschen, die nach Erkrankungen oder Verletzungen unter Teillähmungen leiden, können so selbständig wieder mobil sein: Der Anzug hilft beim Aufstehen, Gehen oder Treppensteigen. Sensoren erkennen dabei die beabsichtigte Bewegung und unterstützen sie. Das kann für ansonsten isolierte Menschen wieder dringend benötigte Mobilität ermöglichen: Bei starken Lähmungen reicht die Batterie für rund eine Stunde, bei weniger Beanspruchung des Anzugs bis zu drei Stunden – das reicht in fast jedem Fall, um kurz in die Migros einkaufen zu gehen, einen kurzen Spaziergang zu machen oder auch nur die Post selbständig zu holen.

Der Bernhardiner für die Postmoderne

Es ist aber am Sonntag im Safiental noch ein weiteres Robotik-Wunder zu bestaunen: Das sogenannte «Anymal» ist dreissig Kilo leicht und wirkt wie eine Kreuzung aus freundlichem Roboterhund und käferartigem Insekt. Es löst auf den ersten Blick zwiespältige Gefühle aus: Wer je die «Black Mirror»-Folge «Metalhead» gesehen hat, in welchem vierbeinige Killerroboter Jagd auf Menschen machen, bekommt bei allem «herzigen» Design von Anymal kurz das Grauen.

Der Zweck des realen Robotertiers ist aber kein militärischer, sondern unter anderem ein humanitärer: Anymal kann etwa als Rettungsroboter eingesetzt werden. Er ist so designt, dass er mit äusserst unwegsamem Gelände erstaunlich gut klarkommt – er schafft dank ausgeklügelter Mechanik und diversen Sensoren Treppen, Höhenunterschiede und leichtes Geröll, kann kriechen und sich so sogar bei engen Durchgängen schmal machen. So kann er dort eingesetzt werden, wo es für Menschen zu gefährlich ist – etwa in einsturzgefährdeten Gebäuden. Mit diversen verschiedenen Sensoren bestückbar, kann Anymal so etwa Wärmebilder aus partiell verschütteten Gebäuden zu einem draussen stationierten Operateur schicken und gleichzeitig Karten erstellen, wo etwa ein Verwundeter liegt. Anymal steht so in einer schönen schweizerischen Tradition: Schon Bernhardiner retteten einst Verschollene aus unwegsamem Gelände. Aber auch auf Gas- und Ölplattformen kann Anymal Kontrollarbeiten ausführen, ohne dass Menschen, für die diese Arbeit gefährlich wäre, physisch anwesend sein müssen.

Los! Auf ins Safiental!

Wer also kurzentschlossen für einen Tagesausflug zu haben ist und an weltweit bahnbrechenden Produkten der Robotik interessiert ist, der mache sich auf ins Safiental. Wer sich sputet, erlebt nicht nur den Myosuit und Anymal ab 14.30 Uhr, sondern schafft es vielleicht sogar auf 11 Uhr in die Turnhalle Tenna. Bis um 18 Uhr gibt es dort zusätzlich eine Robotik-Show – und ab 11 Uhr alle zwei Stunden eine spektakuläre, wissenschaftlich-künstlerische Tanzeinlage.

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