An der internationalen Raumstation ISS sind neben den USA auch Russland, die EU, Japan und Kanada beteiligt. (Archivbild)
Foto: Keystone/AP NASA/

Ende der Schmach
US-Astronauten starten wieder zur ISS

Neun Jahre ist es her, dass die USA zuletzt selbst Astronauten zur Internationalen Raumstation geschickt haben. Seitdem kratzt die Abhängigkeit von Russland am Ego. Nach Problemen und Verzögerungen soll es jetzt wieder einen Start geben - mit vielen Premieren.
Publiziert: 12.05.2020 um 09:15 Uhr
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Aktualisiert: 12.05.2020 um 15:47 Uhr

Es ist eine der ironischen Wendungen der Weltgeschichte: Zu ihrem wohl teuersten Bauwerk haben die US-Amerikaner ohne die Russen seit Jahren keinen Zugang mehr. Nur russische Sojus-Raumschiffe transportierten noch Astronauten zur hauptsächlich von den USA finanzierten Internationalen Raumstation (ISS). Damit soll nun Schluss sein: Nach knapp neunjähriger Pause sollen am 27. Mai erstmals wieder Astronauten von den USA aus zur ISS starten.

Space Shuttles wurden zu teuer

Zuletzt waren im Sommer 2011 Astronauten mit der Raumfähre «Atlantis» von der Abschussrampe 39A des Weltraumbahnhofs Cape Canaveral aus zur Raumstation geflogen. Danach mottete die US-Raumfahrtbehörde Nasa ihre Space-Shuttle-Flotte aus Kostengründen ein und war für Flüge zur ISS seither auf Russland angewiesen. Das war mit über 80 Millionen Dollar pro Flug in einer russischen Sojus-Kapsel nicht nur teuer, sondern kratzte auch mächtig am Ego.

«Die bedeutendste Nation der Welt sollte bei der Raumfahrt nicht auf irgendein anderes Land angewiesen sein», hatte der damalige Nasa-Chef Charles Bolden 2014 gesagt - und eigene Flüge für 2017 angekündigt. Im Zuge technischer Probleme, Finanzierungsschwierigkeiten und Umstrukturierungen nach der Wahl von US-Präsident Donald Trump wurde das Projekt immer weiter aufgeschoben.

Bob Behnken (l, 49) und Doug Hurley (r, 53) während eines Tests. Am 27. Mai gilts ernst: Die beiden «betagten» Astronauten fliegen als erste Amerikaner seit neun Jahren selbständig, ohne russische «Limousine», zur ISS. (Archivbild 30.3.2020)
Foto: KEYSTONE/AP SpaceX
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Elon Musk soll Astronauten zur ISS bringen

Neben SpaceX war auch Boeing damit beauftragt worden, Transporter für Astronauten zu entwickeln. Der von Boeing entwickelte «Starliner» schaffte es allerdings bei einem ersten Versuch im Dezember nicht zur ISS. Der unbemannte Test soll nun wiederholt werden. Bis dahin ruhen alle Hoffnungen auf dem «Crew Dragon» der privaten Raumfahrt-Firma SpaceX, wie Nasa-Chef Bridenstine deutlich macht. «Diese Mission hat für die Vereinigten Staaten eine hohe Priorität.»

Wann ist der SpaceX-Flug?

Los geht es nach derzeitigem Plan am 27. Mai um 22.32 Uhr (MESZ), wieder an der Abschussrampe 39A. Aber sonst ist diesmal vieles anders. Die Astronauten starten nicht an Bord eines Raumschiffs der Nasa, sondern in deren Auftrag mit einer «Falcon 9»-Rakete und dem «Crew Dragon» - und das mitten in der Corona-Pandemie, in der Unternehmen nur eingeschränkt arbeiten können und Zuschauer nicht zugelassen werden.

Hier landet die Falcon 9
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SpaceX-Rakete zurück nach All-Mission:Hier landet die Falcon 9

Wer sitzt im ersten Testflug?

Im «Crew Dragon» sollen die Nasa-Astronauten Robert Behnken (49) und Douglas Hurley (53) sitzen, beide Veteranen des Space-Shuttle-Programms. «Es ist wahrscheinlich der Traum von jedem Schüler einer Testpilotenschule, mit einem brandneuen Raumschiff zu fliegen», sagte Behnken jüngst bei einer Pressekonferenz. «Und ich habe das grosse Glück, so eine Chance zu haben.» Rund einen Monat sollen die beiden US-Astronauten an Bord der ISS bleiben - deutlich länger als geplant, denn die Raumstation ist derzeit mit nur drei Raumfahrern - den beiden Russen Anatoli Iwanischin und Iwan Wagner sowie dem Nasa-Astronauten Christoper Cassidy - zu knapp besetzt.

Das Ganze sei ein Test, der «letzte Flugtest» des «Crew Dragon», betont die Nasa. «Das sollten wir nicht aus den Augen verlieren», sagt Nasa-Chef Jim Bridenstine. «Wir machen das, um Dinge zu lernen. Und wir nehmen es sehr, sehr ernst in Hinblick auf Sicherheit.»

Russland verfolgt Entwicklungen gespannt

Russland wird den Start ebenfalls mit Spannung verfolgen - Kosmonauten sind aber nicht mit an Bord. In den vergangenen Jahren flogen mit der Sojus gemischte Besatzungen ins All, davor aber Amerikaner und Russen jeweils mit ihren Raumschiffen. Ohnehin giften sich der Chef der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos, Dmitri Rogosin, und der Boss von SpaceX, Elon Musk, gerne mal öffentlich an.

Touristen auf der ISS

Mit den privaten US-Shuttles sollen künftig auch Touristen und andere Interessenten zur ISS gebracht werden, hatte die Nasa im vergangenen Jahr angekündigt. «Die Nasa öffnet die Internationale Raumstation für kommerzielle Möglichkeiten und vermarktet diese, wie wir es noch nie zuvor gemacht haben», hatte Finanzchef Jeff DeWit gesagt. Die USA tragen den Grossteil der laufenden Kosten für die ISS von mehreren Milliarden Dollar jährlich. Die Gesamtkosten für Aufbau und Betrieb der Station belaufen sich nach Schätzungen bereits auf weit über 100 Milliarden Dollar.

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Auch für Roskosmos geht es nicht zuletzt ums Geld, das die Behörde in den letzten Jahren an dem Shuttle-Service für Astronauten verdiente und in andere Projekte wie die Erforschung des Mondes stecken konnte. Das Unternehmen will nun künftig verstärkt etwa mit der Türkei, Saudi-Arabien und den Vereinten Arabischen Emiraten zusammenarbeiten. Raumfahrer aus diesen Ländern könnten mit russischen Raketen ins All aufbrechen.

Preisdumping in der Raumfahrt?

Rogosin will die Starts seiner Raketen günstiger und damit wettbewerbsfähiger machen. Die Kosten sollten um mehr als 30 Prozent sinken, kündigte er vor wenigen Wochen an. Dies sei eine Reaktion «auf das Preisdumping amerikanischer Unternehmen, die aus dem US-Haushalt finanziert werden».

Zu Ostern legte Musk bei Twitter nach: Im Gegensatz zu den russischen seien seine Raketen zu 80 Prozent wiederverwertbar. Rogosin konterte: Auch Russland entwickele bereits Raketen, die mehr als nur einmal eingesetzt werden könnten. Diese würden dann aber effizienter als die amerikanischen sein. Ein Start liegt allerdings noch in weiter Ferne.

Bei der Raumfahrt klappte die Zusammenarbeit zwischen Moskau und Washington abseits vieler anderer Konflikte bislang gut. Kremlchef Putin lobte das auch, als er sich im April per Video auf die ISS schaltete - um dann allerdings auch zu erwähnen, dass Russland seine «strategischen Pläne» im All vorantreiben wolle. «Unser Land war schon immer ein Vorreiter bei der Erforschung des Universums.» (SDA)

Meilensteine der Raumfahrtgeschichte

Satelliten, die um die Erde kreisen, und Menschen auf dem Mond: Die Eroberung des Weltraums war immer auch ein Wettlauf der Supermächte um Prestige und militärische Vorherrschaft.

  • Oktober 1957: Mit «Sputnik 1» schiesst die Sowjetunion den ersten künstlichen Satelliten ins All. Die USA sind geschockt.
  • November 1957: Die Hündin «Laika» ist das erste Lebewesen in der Umlaufbahn. An Bord von «Sputnik 2» umkreist sie die Erde.
  • April 1960: Die USA starten den ersten Wettersatelliten.
  • April 1961: Der Russe Juri Gagarin ist der erste Mensch im All.
  • Juni 1963: Die Russin Valentina Tereschkowa ist die erste Frau im Weltraum.
  • März 1965: Als erster Mensch verlässt der Russe Alexej Leonow sein Raumfahrzeug und schwebt zehn Minuten frei im All.
  • Juli 1969: Neil Armstrong (USA) betritt als erster Mensch den Mond.
  • April 1971: Die Sowjets errichten die erste Raumstation «Saljut 1».
  • Mai 1973: Die USA nehmen die Raumstation «Skylab» in Betrieb.
  • Juli 1976: Die erste «Viking»-Sonde der NASA landet auf dem Mars.
  • April 1981: Mit «Columbia» fliegt von Cape Canaveral aus die erste wiederverwendbare Raumfähre in den Weltraum.
  • Januar 1986: Kurz nach dem Start explodiert die US-Raumfähre «Challenger». Sieben Menschen an Bord sterben.
  • April 1990: Eine Raumfähre bringt das Weltraum-Teleskop «Hubble» in eine Umlaufbahn um die Erde, um entfernte Galaxien zu erforschen.
  • Juli 1992: Als erster und bisher einziger Schweizer Astronaut startet Claude Nicollier zu einer Mission ins All.
  • November 1998: Der Bau der Raumstation ISS wird begonnen. 16 Länder sind an dem Projekt beteiligt.
  • April 2001: Der US-Millionär Dennis Tito fliegt als erster Weltraum-Tourist zur ISS.
  • Februar 2003: «Columbia» zerbricht beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre. Die sieben Astronauten sterben.
  • Juli 2011: Mit dem Flug der Raumfähre «Atlantis» endet eine Ära. Die NASA stoppt das Programm, die Space Shuttles wandern ins Museum.
  • Januar 2019: Erstmals in der Geschichte ist eine Raumsonde auf der Rückseite des Mondes gelandet. Die chinesische «Chang'e 4» führt mit sich ein Roboterfahrzeug, das das Terrain erkunden soll.
  • Februar 2019: Israel hat erstmals eine Raumsonde zum Mond geschickt. Das kleine Israel will nach den Grossmächten USA, Russland und China das vierte Land werden, das mit einem Raumschiff auf dem Mond landet. Bei einer erfolgreichen Landung wäre «Beresheet» zudem das erste privat finanzierte Mini-Raumschiff, das die Oberfläche eines anderen Himmelskörpers erreicht.
  • März 2019: Die Raumkapsel «Crew Dragon» von Elon Musks SpaceX dockt erfolgreich an der ISS an. Es ist das erste Mal, dass ein privat gebauter und betriebener Crew-Transporter von US-Boden zur ISS fliegt. Musks Firma ebnet somit den Weg für zukünftige Passagierflüge ins Weltall
  • Mai 2020: Erstmals seit neun Jahren sind wieder Astronauten von den USA aus zur Raumstation ISS gestartet – und erstmals mithilfe eines privaten Raumfahrtunternehmens. Die US-Raumfahrer Robert Behnken und Douglas Hurley hoben am Samstag in einer «Crew Dragon»-Raumkapsel mit einer «Falcon 9»-Rakete von SpaceX vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral ab.

Satelliten, die um die Erde kreisen, und Menschen auf dem Mond: Die Eroberung des Weltraums war immer auch ein Wettlauf der Supermächte um Prestige und militärische Vorherrschaft.

  • Oktober 1957: Mit «Sputnik 1» schiesst die Sowjetunion den ersten künstlichen Satelliten ins All. Die USA sind geschockt.
  • November 1957: Die Hündin «Laika» ist das erste Lebewesen in der Umlaufbahn. An Bord von «Sputnik 2» umkreist sie die Erde.
  • April 1960: Die USA starten den ersten Wettersatelliten.
  • April 1961: Der Russe Juri Gagarin ist der erste Mensch im All.
  • Juni 1963: Die Russin Valentina Tereschkowa ist die erste Frau im Weltraum.
  • März 1965: Als erster Mensch verlässt der Russe Alexej Leonow sein Raumfahrzeug und schwebt zehn Minuten frei im All.
  • Juli 1969: Neil Armstrong (USA) betritt als erster Mensch den Mond.
  • April 1971: Die Sowjets errichten die erste Raumstation «Saljut 1».
  • Mai 1973: Die USA nehmen die Raumstation «Skylab» in Betrieb.
  • Juli 1976: Die erste «Viking»-Sonde der NASA landet auf dem Mars.
  • April 1981: Mit «Columbia» fliegt von Cape Canaveral aus die erste wiederverwendbare Raumfähre in den Weltraum.
  • Januar 1986: Kurz nach dem Start explodiert die US-Raumfähre «Challenger». Sieben Menschen an Bord sterben.
  • April 1990: Eine Raumfähre bringt das Weltraum-Teleskop «Hubble» in eine Umlaufbahn um die Erde, um entfernte Galaxien zu erforschen.
  • Juli 1992: Als erster und bisher einziger Schweizer Astronaut startet Claude Nicollier zu einer Mission ins All.
  • November 1998: Der Bau der Raumstation ISS wird begonnen. 16 Länder sind an dem Projekt beteiligt.
  • April 2001: Der US-Millionär Dennis Tito fliegt als erster Weltraum-Tourist zur ISS.
  • Februar 2003: «Columbia» zerbricht beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre. Die sieben Astronauten sterben.
  • Juli 2011: Mit dem Flug der Raumfähre «Atlantis» endet eine Ära. Die NASA stoppt das Programm, die Space Shuttles wandern ins Museum.
  • Januar 2019: Erstmals in der Geschichte ist eine Raumsonde auf der Rückseite des Mondes gelandet. Die chinesische «Chang'e 4» führt mit sich ein Roboterfahrzeug, das das Terrain erkunden soll.
  • Februar 2019: Israel hat erstmals eine Raumsonde zum Mond geschickt. Das kleine Israel will nach den Grossmächten USA, Russland und China das vierte Land werden, das mit einem Raumschiff auf dem Mond landet. Bei einer erfolgreichen Landung wäre «Beresheet» zudem das erste privat finanzierte Mini-Raumschiff, das die Oberfläche eines anderen Himmelskörpers erreicht.
  • März 2019: Die Raumkapsel «Crew Dragon» von Elon Musks SpaceX dockt erfolgreich an der ISS an. Es ist das erste Mal, dass ein privat gebauter und betriebener Crew-Transporter von US-Boden zur ISS fliegt. Musks Firma ebnet somit den Weg für zukünftige Passagierflüge ins Weltall
  • Mai 2020: Erstmals seit neun Jahren sind wieder Astronauten von den USA aus zur Raumstation ISS gestartet – und erstmals mithilfe eines privaten Raumfahrtunternehmens. Die US-Raumfahrer Robert Behnken und Douglas Hurley hoben am Samstag in einer «Crew Dragon»-Raumkapsel mit einer «Falcon 9»-Rakete von SpaceX vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral ab.
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