Berner läuft zu Fuss von der Schweiz bis auf die Philippinen
7:09
15'000 Kilometer unterwegs:Berner läuft zu Fuss bis auf die Philippinen

15'000 Kilometer unterwegs
Berner läuft zu Fuss von der Schweiz bis auf die Philippinen

Thomas Oliver Kellenberger (39) hat Job und Wohnung in der Schweiz gekündigt und ist von Wilderswil BE zu Fuss unterwegs auf die Philippinen – für einen guten Zweck.
Publiziert: 19.12.2021 um 14:09 Uhr
|
Aktualisiert: 26.12.2021 um 14:36 Uhr
Corine Turrini Flury

Thomas Oliver Kellenberger (39) ist gerade in einem günstigen Hostel in Sofia, der Hauptstadt in Bulgarien, als Blick ihn am Telefon erreicht. Ganze 2200 Kilometer hat Thom, wie er sich nennt, in den letzten 3,5 Monaten zu Fuss zurückgelegt.

Ende August ist Kellenberger in Wilderswil BE losgelaufen. Von Disentis ins Südtirol, über Slowenien, entlang der Küste Kroatiens, nach Bosnien-Herzegowina, Montenegro, durch den Kosovo und Serbien und schliesslich bis nach Sofia.

15'000 Kilometer zu Fuss für einen guten Zweck

Sein Ziel ist aber noch lange nicht erreicht. Der Berner will zu Fuss bis nach Mindanao auf den Philippinen marschieren. «Ich rechne damit, dass ich im Frühling 2023 dort ankommen werde», erzählt er Blick.

Erinnerungsbild auf dem Susten. Während der ersten sechs Marschtagen wurde Thomas Oliver Kellenberger von Jugendlichen vom Internat Diapason, der Stiftung YOUCount, begleitet. Der ehemalige Polizist Kellenberger arbeitete dort zuletzt als Sozialpädagoge.
Foto: zVg
1/26

Den ganzen Weg von rund 15’000 Kilometern will er zu Fuss zurücklegen und damit auf die Situation von missbrauchten Kindern auf den Philippinen aufmerksam machen.

Mit Unterstützung von Spendengeldern möchte er mindestens 165‘000 Franken für den Aufbau und Betrieb eines zweiten Kinderdorfes generieren.

Helfen statt Ferienreise

Im Jahr 2019 kündete Kellenberger seinen Job als Kantonspolizist in der Schweiz und zog auf die Philippinen.

«2007 war ich das erste Mal auf den Philippinen und wollte mit einem philippinischen Freund das Land bereisen», erzählt der Schweizer. Es kam anders. Das Elend, das er dort sah, hat den jungen Kellenberger so beschäftigt, dass er beschloss, etwas dagegen zu unternehmen.

Kellenberger erzählt von Kindern, die neben Mülldeponien hausen, von Gewalt und sexuellem Missbrauch, oft durch Familienmitglieder. «Am Abend haben uns minderjährige Mädchen angesprochen und uns sexuelle Angebote gemacht. Was ich in den Armenvierteln sah, hat mich verändert. Ich konnte nicht einfach untätig bleiben.»

Zusammen mit seiner Mutter Ruth gründet Kellenberger 2007 den Schweizer Förderverein Island Kids Philippines und später die Kinderhilfsorganisation Philippine Island Kids Foundation, Inc.

Für vier Mädchen konnten Kellenberger und sein philippinischer Freund, der damals in der Botschaft tätig war, eine Pflegefamilie finden. Das war der Anfang vom Herzensprojekt des Schweizers.

Burnout macht Umzug und Distanz nötig

Dank der Beziehungen seines Freundes, vielen ehrenamtlichen Helfer und Spendengeldern, konnten über die Jahre drei Mädchenhäuser und zwei Häuser für Jungs gebaut werden.

Zum Kinderdorf gehört auch eine Schule, wo Klassen mit jeweils 40 Kindern unterrichtet werden. Fünf Sozialarbeiter kümmern sich um das psychische Wohl der Kinder und sind auch mit den armutsbetroffenen Familien in Kontakt.

Eine weitere Tagesschule des IKP befinden sich im Armenviertel bei der ehemaligen städtischen Mülldeponie in Cagayan de Oro, auf der Insel Mindanao. «Einige der Kinder wohnen in unserem Kinderdorf, weil sie zuhause in Gefahr sind und Gewalt und sexuellen Missbraucht erlebt haben. Viele sind aber auch nur tagsüber bei uns in den Schulen und abends wieder bei ihren Familien. Wenn immer möglich, wollen wir die Kinder bei ihren Familien belassen», so Kellenberger der neben seiner täglichen Arbeit vor Ort Sozialpädagogik studiert hat.

Der Berner hat selber sechs Jahre im Kinderdorf gewohnt, bis es ihm zu viel wurde und er sich in Mindanao eine Wohnung mietete, um wenigstens für ein paar Stunden Distanz zu haben. «Ich hatte ein Burnout», erklärt der Schweizer.

Kellenberger ist Single. Eine Beziehung zu führen sei schwierig, erzählt er. Zu sehr brennt er für sein Hilfsprojekt, zu gross ist sein Engagement für die philippinischen Kinder in Not, als dass noch Zeit für eine Beziehung bleibt.

Zunahme von sexuellem Missbrauch und Gewalt während der Pandemie

«Das Hilfswerk ist meine Passion.» Das ist auch spürbar in seinen Erzählungen. Wie beispielsweise das Schicksal der neunjährigen *Mary-Jane (Name geändert), deren Mutter verstarb und der Vater im Gefängnis sitzt. «Sie lebte bei ihrer Grossmutter, die sie physisch misshandelte und wurde von ihren Onkeln mehrfach sexuell missbraucht. Seit zwei Jahren lebt sie jetzt bei uns.»

Gerade Gewalt und sexueller Missbrauch habe mit der Corona-Pandemie nochmals zugenommen. Die Not sei gross und darum will das IKP einen weiteren Standort schaffen und baut zudem ein Frauenhaus.

Mindestens einmal im Jahr ist der Berner jeweils wieder in der Schweiz und besucht dort seine Mutter, hält Vorträge und generiert Spendengelder für das Hilfswerk auf den Philippinen. Sein letzter Besuch dauerte länger. Von August 2020 kümmerte er sich um seine schwer kranke Mutter bis zu ihrem Tod im Oktober.

«Meine Mutter und ich hatten ein sehr enges Verhältnis und sie hat mich und das Projekt immer unterstützt.» So ist die Fernwanderung für den guten Zweck auch gleichzeitig Trauerarbeit für den Schweizer.

Mit 20 Kilogramm Gepäck unterwegs

Alles, was Kellenberger unterwegs braucht, sind rund 20 Kilogramm Gepäck, das er in seinem Rucksack mit sich trägt. Darunter auch ein Zelt, eine aufblasbare Matte und sein Schlafsack. Über Apps, die auch offline funktionieren, findet er seinen Weg. «Ich habe mich aber auch schon verlaufen, weil einige eingezeichnete Wege gar nicht mehr existieren und verschüttet wurden.»

Sein Zelt schlägt er irgendwo im Nirgendwo auf, oder er schläft unter freiem Himmel oder in einer Scheune. «Je kälter es wird, desto schwieriger ist das. Da suche ich mir in den Dörfern und Städten ein billiges Hostel oder kann bei jemandem auf dem Sofa übernachten.»

Angst hat der Schweizer nicht. Bis jetzt hat er überall viel Gastfreundschaft und Herzlichkeit erlebt. «Das bestärkt mich immer wieder.»

Pro Tag legt Kellenberger gegen 40 Kilometer zurück. Nach fünf Tagen gönnt er sich jeweils für zwei Tage eine Pause. Manchmal begleiten ihn auch Freunde oder Einheimische ein Stück des Weges.

Erfolgsgeschichten als geben Kraft für die Reise

Finanziert wird Kellenbergers Reise durch einen Sponsor, der auch schon seit Jahren das Kinderhilfswerk unterstützt. Die Spendengelder, die der Schweizer auf seiner Reise einnimmt, fliessen vollumfänglich in den neu geplanten Standort auf den Philippinen.

Wieviel sein Hilfswerk langfristig bewirken kann, weiss Kellenberger nach seinen langjährigen Erfahrungen und erzählt von Erfolgsgeschichten von ehemaligen Schützlingen, die inzwischen Ausbildungen oder Studium abgeschlossen haben und berufstätig sind.

Solche Erfolgsgeschichten geben dem Schweizer Kraft, seine ambitionierte Fernwanderung für den guten Zweck in Richtung Philippinen fortzusetzen. Im neuen Jahr wird er die Türkei erreichen und über Istanbul auf dem Landweg Asien erreichen.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?