«Ich gehe immer bewaffnet in die Stadt»
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Schweizer Auswanderer in Texas:«Ich gehe immer bewaffnet in die Stadt»

Fred Kriftner (69) lebt seinen Traum von Freiheit
Schweizer Rentner findet in Texas eine neue Heimat

2006 hat Fred Kriftner (69) aus St. Margrethen SG mit seiner Ehefrau und der jüngsten Tochter der Schweiz den Rücken gekehrt und ist in die USA ausgewandert. In Texas lebt er auf einer Ranch und ist Besitzer einer Ölquelle.
Publiziert: 24.03.2024 um 12:21 Uhr
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Aktualisiert: 17.04.2024 um 09:12 Uhr
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Corine Turrini FluryRedaktorin Wohnen

«Ich war zunehmend von der Schweiz und der Schweizer Politik enttäuscht. Das war der Hauptgrund, dass ich mich 2006 in Texas niedergelassen habe», erzählt Fred Kriftner (69), der in der Schweiz selber in der Politik aktiv war. Der dreifache Familienvater ist gelernter Maschinenmechaniker und hatte in der Schweiz seine eigene Firma im Bereich Maschinenkonstruktion und Entwicklung.

Langjähriges Pendeln zwischen der Schweiz und den USA

Schon länger hat sich Kriftner um die Greencard in den USA bemüht, damit er sich unbeschränkt in den USA niederlassen und sich eine neue Existenz aufbauen konnte. «Ich war viele Jahre vorher schon in Texas. Am meisten reizten mich die persönlichen Freiheiten, die man in Texas hat. Freiheit war mir immer wichtiger als Geld», sagt Kriftner mit unverkennbarem Ostschweizer Akzent.

Mit der damals 16-jährigen Tochter, die jüngste von drei Töchtern, und der Ehefrau zog Kriftner 2006 in ein Haus am Stadtrand von Abilene im Bundesstaat Texas. Seine Firma in der Schweiz konnte er an junge Nachfolger verkaufen, blieb aber in beratender Funktion und für langjährige Kunden tätig und pendelte während rund sechs Jahren zwischen der Schweiz und den USA. «Das war eine Win-win-Situation für die jungen Nachfolger, die Kunden und mich», erklärt der Rentner.

Von der Schweiz und der Schweizer Politik war Alfred Kriftner zunehmend enttäuscht. In Texas hat er seine neue Heimat gefunden und lebt als Farmer ausserhalb von Oplin, südöstlich von Abilene.
Foto: Zvg
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Wegzug von der Stadt in eigenes Farmhaus

2013 kaufte der inzwischen geschiedene Schweizer in Oplin für rund 450’000 Franken eine abgelegene Ranch mit 75 Hektar Land und zog alleine in das Farmhaus, das ein deutscher Einwanderer 1920 erbaut hatte. «Es ist einfach, aber solide gebaut», sagt Kriftner.

Abilene sei über die Jahre stark gewachsen, so der Schweizer. Für Einkäufe und Restaurantbesuche ist Kriftner noch immer gern in Abilene, geniesst aber das Farmerleben abseits der Stadt mit seinen aktuell 30 Rindern, einem Bullen und einem Pferd sowie seinen drei Katzen. Der nächste Nachbar ist rund ein Kilometer von ihm entfernt. «Manchmal höre ich ihn, wenn er schiesst. Das stört mich aber nicht. Im Gegenteil. So weiss ich, dass er sich nicht gestört fühlt, wenn ich Schiessübungen mache», sagt Kriftner lachend.

Auf seinem Land hat er einen eigenen Schiessstand und trainiert regelmässig. Ohne Waffe geht er, wie die meisten in Texas, nicht aus dem Haus. Einen Waffentragschein hatte er schon in der Schweiz, setzte aber seine Waffe bis heute nie ein. In der Schweiz sei er aber schon einmal einer Frau in Bedrängnis zur Hilfe geeilt und bei einer Messerstecherei habe er eingegriffen. «Aber ohne Waffe. Die Waffe gibt mir ein Gefühl von Sicherheit. Ich weiss nicht, ob ich sonst den Mut zum Einschreiten gehabt hätte», sagt Kriftner.

Zudem ist er in der Feuerwehr von Oplin aktiv und hat die örtliche Feuerwehr, die wegen Personalmangel eingestellt werden sollte, wieder neu aufgebaut. «Das ist wichtig, denn hier gibt es wegen der Trockenheit immer wieder Flächenfeuer oder wir haben Einsätze wegen Wildtieren, wie Kojoten, Wildkatzen oder Klapperschlangen. Da ist eine Waffe von Vorteil» so der Vize-Kommandant der Feuerwehr Oplin, der in der Schweiz schon bei der freiwilligen Feuerwehr als Leutnant aktiv war.

Nebeneinkommen dank eigener Ölquelle

Neben seiner AHV-Rente hat der Schweizer seit drei Jahren noch ein aussergewöhnliches Nebeneinkommen: Auf seinem Grundstück wurde bei Bohrungen eine Ölquelle entdeckt. Öl-Millionär wird der Schweizer damit nicht. «Etwa vier Fässer Öl täglich können gefördert werden. Mir bringt das ein paar Hundert Franken monatlich – je nach Ölpreis», sagt er.

Ihn interessiere aber vor allem die ganze Technik dahinter und weniger das Geld. Ausserdem kann er Wasser von seinem Grundstück für die Ölförderung verkaufen. Wasser sei rar und wichtig im trockenen Texas, das in den Sommermonaten oft über 40 Grad und kaum Regen hat. Drei kleine Seen und ein Bach mit Staudamm hat er dafür auf seinem Land selber ausgehoben und gebaut.

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Was der Schweizer in der neuen Heimat vermisst

Auch wenn Kriftner seit dem Tod seiner langjährigen Partnerin im vergangenen Jahr allein auf seiner Ranch lebt, wird ihm nicht langweilig. Er hat mit seinen Tieren zu tun, repariert Zäune und Maschinen oder aktuell ein altes Feuerwehrauto in seiner Garage. Regelmässig isst er in einem günstigen Restaurant in der Stadt. «Das ist frisch und günstig. Rentner haben da sogar Spezialtarife», sagt Kriftner.

Für sich allein kocht er nicht besonders gern. Gelegentlich grillt er Würste und Fleisch. «Bis auf Cremeschnitten, einen feinen Nussgipfel oder Marroni habe ich hier nie etwas vermisst. Einen Marronilieferanten in den USA habe ich aber auch gefunden und mache manchmal Marroni auf dem Feuer», so der Schweizer. Holz hat er genug von seinen eigenen Bäumen auf dem Grundstück.

Sehenswürdigkeiten aus der Kriegszeit

Wenn Kriftner Besuch aus der Schweiz hat, zeigt er gern Sehenswürdigkeiten in seiner neuen Heimat und erzählt aus der Geschichte. Während des Kalten Krieges zwischen Russland und den USA war seine Gegend und die heute kaum befahrene Schnellstrasse, die an seiner Ranch vorbeiführt, von Bedeutung. In Abilene liegt seit 1953 die Dyess Air Force Base und beheimatet zwei fliegende Verbände mit Bombern und Transportflugzeugen. «Das interessiert und fasziniert Besucher jedes Mal», sagt der geschichtsinteressierte Kriftner.

Bleiben bis zum Lebensende

Nicht selten staunen selbst Einheimische, was der Schweizer über Texas alles weiss und wie gut er integriert ist. Fred Kriftner: «Es ist das grösste Kompliment, wenn man mir sagt, dass man nicht merkt, dass ich nicht von hier stamme.»

Eine Rückkehr in die Schweiz kommt für den rüstigen Rentner nicht infrage. Seine Auswanderung nach Texas hat er bis heute nie bereut. Auch in einen anderen Bundesstaat will er nicht ziehen, selbst wenn er vor kurzem im Internet eine neue Freundin aus dem etwa 600 Kilometer entfernten Houston fand. «Das ist noch ganz frisch. Wer weiss, wie sich das entwickelt.»

Texas sei anders als der Rest der USA. Hier fühlt er sich heimisch und hier will er bis zum Lebensende bleiben, wenn es sein muss, ganz alleine. Ein Altersheim ist für ihn kein Thema. Mit trockenem Humor sagt Kriftner: «Wahrscheinlicher ist es, dass ich hier irgendwann sterbe und wenn mich niemand findet, beseitigen mich die Kojoten.»

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