Berner Platte – die SonntagsBlick-Kolumne
Wir müssen reden!

Stadt, Land. Links, rechts. Berg, Tal. Aline Trede fragt sich, warum in der Schweiz andere Denk- und Lebensweisen nicht einfach als Chance gesehen werden – und plädiert für mehr gegenseitigen Austausch.
Publiziert: 14.01.2024 um 10:24 Uhr
Aline Trede*

Dialog, der. «Von zwei oder mehreren Personen abwechselnd geführte Rede und Gegenrede; Zwiegespräch, Wechselrede.»

Ich verstehe die Spaltungsdiskussion in der Schweiz nicht. Sei es Stadt und Land, seien es politische Ansichten, seien es Menschen mit einem anderen Pass, einer anderen Hautfarbe, einem anderen Glauben. Eine Stigmatisierung folgt auf die nächste, Gräben werden betont statt zugeschüttet. Warum werden andere Denk- und Lebensweisen nicht einfach als Chance gesehen? Wir leben in einem freien Land, das auch von Gegensätzen lebt. Warum bewirtschaften wir die Unterschiede so stark?

Diese Bewirtschaftung lenkt von den gefährlichen Spaltungen und Ungleichheiten ab. Die menschenverachtenden Bewegungen in Deutschland lassen aufhorchen. Rechtsextremismus, Antisemitismus und Homophobie sind wieder im Kommen. Die AfD ist im Aufwind, der Ton wird rauer, verbotene Aussagen werden salonfähiger. Die Aggressivität nimmt zu. Demonstrationen arten unfriedlich aus.

Aline Trede, Berner Grünen-Nationalrätin und Blick-Kolumnistin.
Foto: Keystone

Dem müssen wir begegnen. Mehr Verständnis füreinander schaffen. Mit Austausch, Bildung, Erklärung und Weitergeben des historischen Gedächtnisses. Wir müssen inhaltlich diskutieren können, ohne gleich Feinde zu sein. Es braucht in der Debatte wieder Platz für differenzierte Diskussionen, es ist nie schwarz-weiss. Und für die Menschen in unserem Land existieren schwerwiegende Probleme, die es zu lösen gilt. Denn wenn in einem der reichsten Länder die Armut zunimmt und sich die Schere zwischen den reichsten Menschen und dem anderen Bevölkerungsteil immer mehr öffnet, haben wir eine wirkliche Spaltung, die den Nährboden für gefährliche Strömungen bietet.

Was das A und O sein wird: den Dialog aufrechtzuerhalten. Miteinander sprechen, sich austauschen. Sich der Debatte nicht verschliessen, nur weil sie anstrengend ist oder vermeintlich zu nichts führt. Das gehört zur direkten Demokratie.

Dialog, der. «Gespräche, die zwischen zwei Interessengruppen geführt werden, mit dem Zweck des Kennenlernens der gegenseitigen Standpunkte.»

* Aline Trede ist Fraktionschefin der Grünen im Nationalrat und Umweltwissenschaftlerin. Sie schreibt jeden zweiten Sonntag für uns – im Turnus mit SVP-Nationalrat Alfred Heer. 

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