Das meint BLICK: Andreas Dietrich, Chefredaktor BLICK, über den Umgang mit Corona-Skeptikern
Wir tragen Masken, keine Maulkörbe

Je länger die Krise dauert, desto offener treten Corona-Skeptiker ans Licht. Darunter hat es widerliche Propagandisten – aber auch viele Leute mit Ansichten und Meinungen, die zu einer Debatte gehören. Ein Kommentar von BLICK-Chefredaktor Andreas Dietrich.
Publiziert: 08.09.2020 um 22:51 Uhr
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Aktualisiert: 09.09.2020 um 20:40 Uhr
Andreas Dietrich

Die Krise als Chance. Es gibt unzählige Wirtschaftsbücher, Beziehungsratgeber oder Esoterikfibeln mit der aufmunternden Floskel im Titel. Die gemeinsame Botschaft: Das Schlechte hat auch sein Gutes. Manchmal ist das tatsächlich so. Oft nicht. Und vor allem zeigt es sich erst im Nachhinein.

Doch wir stecken mittendrin in der Krise. Wir wissen ganz vieles nicht, noch nicht. Das nervt, macht Angst, macht ungeduldig, verunsichert.

Wissenschaftler widersprechen sich öffentlich, Regierungen fahren im Zickzack, Staaten – bei uns gar Kantone und Städte – greifen bei ähnlicher Bedrohungslage zu unterschiedlichen Massnahmen. Da soll einer noch drauskommen.

Andreas Dietrich, Chefredaktor BLICK.

Verschwörungstheorien machen es einfacher

Ungewisses und Widersprüchliches auszuhalten, die Zumutungen eines veränderten Alltags zu ertragen: Solches sind wir nicht gewohnt. Jede und jeder versucht auf eigene Weise, damit klarzukommen.

So erstaunt es nicht, dass in dieser andauernden Verwirrung einfache Erklärungen immer beliebter werden. Verschwörungstheorien, so kompliziert sie konstruiert sein mögen, sind einfach. Jedenfalls im Vergleich zur Wirklichkeit. Auch ist es einfacher, Regierungen finstere Absichten zu unterstellen, als Politikern Fehleinschätzungen, provisorische Einsichten und Korrekturen zuzugestehen.

Unter den Corona-Skeptikern gibt es Irrlichter und Durchgeknallte. Es gibt widerliche Figuren samt Anhang, die schon zuvor widerliche Ansichten vertraten. Sie sehen die Krise jetzt tatsächlich als ihre Chance. Diese dürfen wir ihnen nicht geben.

Kein Grund zu Hohn und Spott

Doch die meisten äussern Meinungen, Kritik und Zweifel, die in eine demokratische Auseinandersetzung gehören. Erst recht bei einem Thema, das uns alle so sehr betrifft. Wieso sollte man nicht über Sinn und Unsinn der Maskenpflicht in Läden diskutieren? Über Kantönligeist und Machtballung im Bundesrat? Über Grossveranstaltungen, während Clubs nur 100 Leute reinlassen dürfen? Über Verlierer und Profiteure in diesen Zeiten?

Manche der widerborstigen Stimmen mögen irritieren und provozieren – aber es wäre falsch, sie zu ignorieren oder verächtlich zu machen. Wir tragen Masken, nicht Maulkörbe.

Die Krise ist möglicherweise keine Chance. Aber bestimmt eine gute Gelegenheit, sich im Umgang mit Andersdenkenden auf ein paar nützliche Haltungen zu besinnen. Auf dem Jahrmarkt der Meinungen geht es bei uns gesittet genug zu und her, dass man sich mit Toleranz, Gelassenheit und Verstand Gehör verschaffen kann.

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