ETH-Professorin über Einsparungen von Kohlendioxid
«Setzen wir auf die Lösungen, die wir schon haben!»

Gegen die Klimakrise muss dringend etwas unternommen werden. ETH-Professorin Sonia I. Seneviratne rät, auf bereits bekannte, relativ simple Lösungen zu setzen: Eine starke Reduktion von Kohlendioxid-Emissionen.
Publiziert: 20.03.2024 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 26.03.2024 um 11:25 Uhr
Sonia I. Seneviratne

Jede vermiedene Tonne CO₂ bedeutet langfristig weniger globale Erwärmung. Denn emittiertes CO₂ bleibt mehrere Hunderte bis Tausende von Jahren in der Atmosphäre. Deshalb ist die beste Lösung gegen die Klimakrise, direkt bei den Emissionen anzusetzen.

Heute spricht man viel über Aufforstung oder technologische Optionen, um CO₂ zu speichern. Doch auf diesem Weg können nur etwa 10 Prozent der jetzigen Emissionen kompensiert werden. Wollen wir bis spätestens 2050 das Netto-Null-Ziel erreichen, sind dazu vor allem Reduktionen der jetzigen CO₂-Emissionen notwendig. Dies zeigen evaluierte Szenarien des letzten Sachstandsberichts des Weltklimarats. 

Im Fokus stehen insbesondere jene Bereiche, in denen Änderungen der Infrastruktur zu einer andauernden Reduktion von Emissionen führen können.

Was verursacht in der Schweiz am meisten CO₂-Emissionen?
Foto: globalcarbonatlas.org

Beispiel Heizungsersatz: Wer heute eine Erdölheizung mit einer Wärmepumpe ersetzt, kann ab jetzt jedes Jahr massive Reduktionen der Emissionen erzielen. Bis 2050 sind es 25 Jahre Emissionen, die somit vermieden werden.

Beispiel Verkehrsinfrastruktur: Die Bahninfrastruktur sollte keinesfalls das Nachsehen haben. Es darf keine falschen Anreize für Autoverkehr geben auf Strecken, wo die Bahn schnell und effizient Pendlerverkehr sicherstellen kann oder könnte. Und Mittel für die Verkehrsinfrastruktur sind besser in die Bahn und in Elektrobusse investiert als in einen Ausbau der Autobahnen, wodurch es noch mehr Luftverschmutzung und Lärm gäbe. 

Beispiel Elektromobilität: Ein Elektroauto verursacht über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg etwa 65 Prozent weniger CO₂-Emissionen als ein herkömmliches Auto. E-Autos sind deshalb eine gute Lösung für die schnelle Reduktion von CO₂-Emissionen für alle Personen, die auf ein Auto angewiesen sind. Aber die Schweiz hinkt beim Ausbau der Infrastruktur für Elektromobilität hinterher und schafft es nicht einmal in die Top 10 der Länder mit den höchsten Prozenten von Elektroautos unter den Neuwagen. In Norwegen sind mehr als 90 Prozent der Neuwagen entweder reine E-Autos oder Plug-in-Hybride. In der Schweiz ist es umgekehrt: Etwa 70 Prozent der gekauften Neuwagen sind Benzinautos und verursachen jahrelang zusätzliche CO₂-Emissionen.

Klar, die Schweiz ist ein Volk von Mietern. Aber die Kosten für die Installation von Ladestationen bei Mietobjekten sind überschaubar. Eine Ladestation kostet zwischen 1000 und 3000 Franken und kann langfristig verwendet werden. Das sind – über 20 Jahre gerechnet – etwa 100 Franken pro Autoladeplatz und Jahr oder 35 Rappen pro Tag. Sicherlich kann sich die Schweizer Bevölkerung eine solche Investition leisten. Idealerweise würde eine Ladestation zur Basisinfrastruktur von Immobilien gehören, wie das heute schon für Elektrizität, Wasserleitungen oder Heizungen der Fall ist.

Und zur Erinnerung: Drei Viertel aller Schweizer Emissionen sind durch die Verbrennung von Erdöl (z. B. Benzin, Heizöl) verursacht. Wenn wir diese Emissionen auf null bringen, haben wir drei Viertel des Klimaproblems in der Schweiz gelöst! Die Klimakrise ist eine Energiekrise, und die meisten Lösungen existieren schon. Wir müssen sie nur implementieren.

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