Fix zur Gesellschaft
Geh nie mit fremden Menschen mit

Unsere Autorin hat wieder mal etwas Dummes gemacht – und hatte anschliessend ein gelähmtes Auge.
Publiziert: 27.07.2020 um 09:11 Uhr
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Aktualisiert: 07.08.2020 um 16:50 Uhr
Alexandra Fitz

Ein Samstag im Zürcher Niederdorf. Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal am Wochenende durch die alten Gassen spazierte; normalerweise überlasse ich das den Touristen. Wir liefen an einem Laden vorbei. Draussen hielt eine Verkäuferin eine Creme in ihren Händen und winkte mich zu sich. Ich ging auf sie zu. Sie schwafelte drauflos: Das sei ein neues Kosmetikgeschäft, und sie hätten sensationelle Angebote. Und ehe ich mich versah, sass ich drinnen auf einem Stuhl. Mein Freund schaute mich durchs Schaufenster an. Er schüttelte fassungslos den Kopf.

Plötzlich wurde auch mir meine Situation bewusst: Ich war in den Fängen einer fremden Frau. Was hat sie vor? Und vor allem: Weshalb bin ich mitgegangen? Es ist einfach: Man traut sich nicht, Nein zu sagen, will höflich sein – schon sitzt man in der Falle. Die junge Frau sprach nun Englisch, sagte, sie habe eine super Augencreme. Sie würde nur kurz die Haut unter meinem Auge reinigen. Bevor ich etwas sagen konnte, war sie auch schon mit Watte in meinem Gesicht und tupfte eine kalte Creme unter mein linkes Auge. Scheisse!

Dann hielt sie einen Interdiscount-Mini-Propeller vor mein Auge und sagte: «Zum schneller Trocknen.» Werde ich erblinden? Mein Unterlid fühlte sich seltsam an. Es spannte. Ich wollte raus. Doch ich konnte nicht. Ich war wie gelähmt. Also fragte ich höflichkeitshalber noch: «Was kostet diese Augencreme?» Sie spielte auf Zeit und holte ein iPad. Sie habe gute Neuigkeiten: Der Originalpreis sei viel höher, aber hier im Laden verkauften sie das Wunderprodukt günstiger. Knapp 500 Franken. Originalpreis ist 999 Dollar. Will die mich verarschen? Ich stand auf und faselte etwas von teuer, und ich wolle das genauer nachlesen und mich dann entscheiden.

Alexandra Fitz, stv. Leiterin SonntagsBlick Magazin.
Foto: Thomas Meier

Wieder draussen auf der Strasse, suchte ich meinen Freund. Ich fasste mir unters Auge. Und ich spürte nichts. Mein Unterlid war wie betäubt. Ich bekam Angst. Ich sei selber schuld, sagte er. Man gehe nicht mit Fremden. Immer wieder berührte ich die Stelle. Es dauerte eine ganze Weile, bis sich mein Auge wieder fast normal anfühlte, also so wie das rechte. «Wenn das am Abend immer noch seltsam ist, verklage ich die», sagte ich trotzig.

In einem anderen Geschäft schaute ich in einen Spiegel. Ein bisschen weniger Falten hatte ich auf dem gecremten Auge also schon!

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