Frank A. Meyer – die Kolumne
Die Gutmeinenden

Publiziert: 21.01.2024 um 00:07 Uhr
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Aktualisiert: 21.01.2024 um 13:54 Uhr
Frank A. Meyer

Der Satz entstammt einem Interview mit dem SonntagsBlick: Im Kern gehe es darum, «dass die Leute genügend Geld im Portemonnaie haben». Es ist der Leitsatz der Präsidentin der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz. 

Das politische Credo von Mattea Meyer.

Schlichter und schöner lässt sich kaum formulieren, was eine linke Politikerin beseelt. Mattea Meyer zeichnet dazu das gefühlige Bild: «Grosseltern können sich den Zoobesuch mit Enkeln nicht mehr leisten.» Ja, auch diese Kunst beherrscht sie – Ergriffenheit provozieren.

Die so zurückhaltend, so bescheiden auftretende Nationalrätin wäre für jedes Krippenspiel eine glaubwürdige Maria: sanft-strenger Blick, geläutert durch ein zauberhaftes Lächeln – wer es sieht, glaubt alles.

Mit Mattea ist die SPS gesegnet.

Ihr zur Seite steht Cédric Wermuth als Mit-Präsident: der wackere Josef – geborgen in seinem Bart, ohne Ausstrahlung, die den Glanz seiner Maria unziemlich in den Schatten stellen könnte.

Das Traumpaar der Linken.

Die beiden meinen es gut mit den einfachen Leuten draussen im Lande: mit der arbeitenden Bevölkerung, also den Arbeitnehmern – den Arbeitern, um ein in Vergessenheit geratenes Wort zu gebrauchen. Aber gibt es sie denn noch, diese Arbeiter?

Gerade regen sie sich – und regen sich auf. Über die da oben, die es gut mit ihnen meinen. Bundesrätin Viola Amherd hat es am WEF in Davos auf den Begriff gebracht: «Teile der Bevölkerung misstrauen uns allen.» Uns allen? Gerade auch der Linken: den Genossen Mattea Meyer und Cédric Wermuth, die es besonders gut meinen mit denen da unten.

In Deutschland sind die Bauern auf ihren dieselgetriebenen Traktor-Ungetümen die Avantgarde des aktuellen Aufbegehrens von unten. Ihr Anführer benötigte sechs Worte, um klarzumachen, gegen wen es sich richtet: gegen eine Elite, die «noch nie gearbeitet, noch nie geschwitzt» hat.

Der derbe, der polemische, der treffende Vorwurf verdeutlicht, was hinter dem Misstrauen steckt, das Viola Amherd der WEF-Szene alarmiert entgegenschleuderte: Wie auch immer die da oben, in Davos oder in der SPS-Führung, es mit denen da unten meinen – sie finden damit kein Vertrauen mehr.

Warum eigentlich nicht? Das müsste vor allem die Partei der Arbeiterschaft umtreiben, die allerdings gerade abgelenkt ist durch emsige Beschäftigung mit Kolonialismus, Rassismus, Klimatismus, Queerismus, natürlich auch mit Genderismus, also mit den Weltproblemen an und für sich.

Fürwahr ein weites Feld, das die Genossen da beackern. Kann man ihnen zumuten, noch andere Furchen zu ziehen?

Wer sind «die da unten», denen das linke Engagement nicht mehr genügt? Das soziale Versprechen der einst so glaubwürdigen Arbeiterpartei.

Arbeiterpartei?

Ja, wo sind sie, die Arbeiter der Arbeiterpartei? Die Elektrikerinnen und Heizungsbauer, die Coiffeusen und Pfleger, die Maurer und Schreinerinnen – die Frühaufsteher, die bei ihrem Tagwerk schwitzen? Sitzen sie in den Spitzengremien der SPS? Bestimmen sie die linke Politik? Repräsentieren sie die Partei in Parlamenten und Regierungen? Führen sie die Partei?

Ihre Partei?

Da liegt, volkstümlich formuliert, der Hund begraben: Die Linke – die Sozialdemokratie! – ist nicht mehr, abermals volkstümlich gesagt, Fleisch vom Fleische der Arbeiterschaft.

Was sich heute als Linke in die Brust wirft, ist die Klassenvertretung etablierter Wohlfühlkinder. In Zürich, der linksgrün regierten Weltstadt, hat diese akademisch geprägte Kaste gerade ihren Offenbarungseid geleistet: Sozialwohnungen sollen künftig auch Gutverdienenden offenstehen. Die «Neue Zürcher Zeitung» geisselt das Vorhaben klassenkämpferisch: «Die Linke spricht vom Mittelstand und meint sich selbst.»

Linke? Auch dazu giftet die «NZZ»: «Chai-Latte-Sozialisten»!

Und doch und abermals: Mattea Meyer und Cédric Wermuth meinen es gut mit denen da unten. 

Was bisher ja auch ganz gut funktionierte: Die Gutbemeinten waren zufrieden. Und oben konnte man sich wohlig und ohne zu schwitzen einrichten an Universitäten, in Verwaltungen, in NGOs, in den linken Parteien, vor allem in den Medien – in der politischen Kulturszene.

Mit dieser wunderbaren Klassengesellschaft soll es plötzlich vorbei sein? Für die Gutmeinenden eine ganz und gar schreckliche Vorstellung: Die Werktätigen übernehmen die Macht in ihrer Partei! 

Elektrikerinnen und Schreinermeister und Maurerinnen und Heizungsbauer und Coiffeure und Pflegerinnen – meinten es plötzlich gut mit Mattea Meyer und Cédric Wermuth.

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