Frank A. Meyer – die Kolumne
Wer kann SRG?

Publiziert: 07.04.2024 um 00:18 Uhr
Frank A. Meyer

Die SRG ist Gegenstand eines leidenschaftlichen Streits. Das grösste Unternehmen für elektronische Medien der Schweiz soll einem Sparregime unterworfen werden. Die SVP will die Gebühren für Radio und Fernsehen – «Zwangsgebühren», wie sie polemisiert – von bisher 335 Franken pro Jahr auf 200 Franken absenken; SVP-Bundesrat Albert Rösti, als Medienminister für die SRG zuständig, möchte die Steuer in zwei Schritten auf 300 Franken reduzieren.

Was macht die SRG falsch?

Sie versorgt das kulturell zerklüftete Land Tag und Nacht fleissig mit TV- und Radio-Journalismus, der die Schweiz spiegelt. Ihr ist nichts vorzuwerfen, ausser natürlich, dass sich jeder Zuschauer und Zuhörer ärgert, wenn seine Meinung seiner Meinung nach zu wenig zur Geltung kommt, wenn die Themen, die ihn interessieren, nicht oft genug behandelt werden, wenn ihm der Moderator nicht passt, wenn gar seine Lieblingssendung abgesetzt wird.

Foto: Antje Berghaeuser

Die SRG macht also alles falsch.

Es ist wie beim Fussball: Jeder Zuschauer ist der bessere Trainer oder Spieler – bei TV und Radio der bessere Moderator oder Reporter.

Und nun geht es sogar darum, wer der beste Generaldirektor oder die beste Generaldirektorin sein könnte, denn der bisherige SRG-Chef tritt ab.

Die Berufung in dieses Amt ist verknüpft mit der Frage der Gebühren: Wer wehrt die Angriffe der grössten Partei des Landes und ihres Bundesrates ab – der überdies und im Gegensatz zu seiner Partei ein Simpatico ist?

Könnte das eine geborene Simpatica sein wie die strahlende Susanne Wille, Publikumsliebling und Kulturchefin des Deutschschweizer Fernsehens – um nur eine Kandidatin anzuführen?

Das Können, das an der SRG-Spitze vonnöten ist, muss aufgeteilt werden:

Die SRG durch den Alltag führen, ist das eine – und nicht das Schwierigste, führen sich Radio und Fernsehen in den Sprachregionen und deren Redaktionen doch auch selbst, nicht zuletzt durch Alltagsroutine.

Die SRG durch die Unbill der politischen Zeitläufte steuern ist das andere und das Schwierige, führen die rechten Populisten doch einen verbissenen Kampf gegen die «Staatsmedien», wie sie die SRG-Anstalten verächtlich nennen – und denen sie übrigens die Popularität ihres Personals verdanken. Was wäre Medienstar Blocher ohne Dauerpräsenz in den unablässig beschimpften Sendern?

Doch Dankbarkeit ist in der Politik keine Tugend, zumal die SRG aktuell als Spielball dient.

Übrigens nicht ganz zu Unrecht, denn das privat organisierte und öffentlich finanzierte TV- und Radio-System der Schweiz ist selbst Teil der Politik. Es hält zusammen, was nicht zusammengehört: die politischen Kulturen der Schweiz

Ja, wer ist das, die Schweiz?

Das Tessin, die Suisse romande, die Deutschschweiz, die rätoromanischen Regionen – jeder dieser Kulturräume ist in sich selbst die Schweiz. Und die Kulturräume in den Kulturräumen sind noch einmal die Schweiz, man frage nur die Einheimischen.

Die Schweiz ist die Behauptung ihrer Bürgerinnen und Bürger. Darum behauptet sie sich auch so unerschütterlich.

Die eine, die einzige Schweiz existiert nicht, denn es gibt sie nach Verfassung vier Mal. Erst vier mal eins gibt eins – das politisch-kulturelle Weltwunder.

Die SRG ist die Wundertüte dieses Weltwunders, die medial all das hervorzaubert, was die global bewunderte Nation zu bieten hat. Die Journalisten der SRG machen ihre Arbeit manchmal sehr gut, meistens gut, bisweilen schlecht. Auf jeden Fall sind sie unverzichtbar.

Wer will das zerstören?

Die angedrohten Sparmassnahmen bedeuten die Zerstörung der SRG – der unverzichtbaren kulturellen Infrastruktur der Schweiz. Wer kann die SRG vor der Zerstörung retten? Jemand, der die Schweiz verstanden hat.

Innig verstanden hat.

Gibt es diese Schweiz-Persönlichkeit, der die Schweizer Bürgerinnen und Bürger die Botschaft abnehmen, dass die SRG mehr sei als die Summe ihrer Journalisten?

Dass es um die kulturell so verschiedenen Schweizen geht.

Und deshalb um die Schweiz.

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