Gefahrenquelle hier und jetzt
Klimakrise tötete im Sommer 2022 in der Schweiz 370 Menschen

Die Schweiz ist in der Klimathematik gefordert. Kolumnistin und ETH-Professorin Sonia l. Seneviratne nimmt grosse Unternehmen in die Pflicht.
Publiziert: 25.07.2023 um 08:57 Uhr
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Aktualisiert: 18.08.2023 um 14:28 Uhr
Sonia I. Seneviratne

Die Destabilisierung des Klimasystems ist nicht mehr eine vage Bedrohung in der fernen Zukunft, sondern eine Gefahrenquelle im Hier und Jetzt. Man muss sich nur die jüngsten Hitzewellen in den meisten Regionen der nördlichen Hemisphäre ansehen, um dies zu erkennen. Dazu gehören auch extreme Temperaturen in der Schweiz und die daraus resultierenden Folgen, wie zum Beispiel die erhöhte Gefahr von Waldbränden, wie sie in den letzten Tagen im Oberwallis aufgetreten sind. Aber die Hitze tötet auch Menschen, sowohl in der Schweiz als auch im restlichen Europa. Eine aktuelle Studie hat gezeigt, dass die Hitzewelle im Sommer 2022 in Europa 61'000 zusätzliche Todesfälle verursacht hat.

Auch die Schweiz wurde nicht verschont. In einer von Ana Vicedo-Cabrera von der Universität Bern geleiteten Studie, zu der auch unsere Gruppe der ETH Zürich beigetragen hat, haben wir festgestellt, dass mehr als 600 Menschen aufgrund der Hitzewelle gestorben sind und dass circa 370 dieser Todesfälle (etwa 60 Prozent) auf die vom Menschen verursachte globale Erwärmung zurückgeführt werden können. Besonders betroffen waren Menschen über 65 Jahre mit stärkeren Auswirkungen für ältere Frauen. Bei älteren Frauen war das Sterberisiko um 36 Prozent und bei älteren Männern um 23 Prozent erhöht. Aber auch jüngere Männer (<65 Jahre) zeigten ein erhöhtes Sterberisiko von 15 Prozent – höher als bei jüngeren Frauen.

Diese Ergebnisse zeigen, dass unsere Treibhausgasemissionen auch bei uns Folgen haben. Sie führen zu Todesfällen in der Schweiz und nicht nur in weit entfernten Ländern mit begrenzten finanziellen Mitteln. Obwohl die Schweiz ein reiches Land ist, bleibt sie davon nicht verschont. Das Klimagesetz, das im Juni vom Volk angenommen wurde, hat es der Schweizer Regierung ermöglicht, mehr zu tun, um ihren klimatischen Fussabdruck zu verringern. Dies wird jedoch nicht ausreichen.

In Bitsch VS loderte tagelang ein Feuer. Eine Folge des Klimawandels.
Foto: keystone-sda.ch
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Die Schweiz kann die Treibhausgasemissionen auch global beeinflussen. Viele Unternehmen mit Sitz in der Schweiz haben einen grossen Klimafussabdruck, einige von ihnen sind auch im Handel mit fossilen Energieträgern tätig. Die finanziellen Auswirkungen, solche Firmen in der Schweiz zu haben, mögen für einige Kantone nützlich erscheinen. Aber jetzt und in Zukunft ist es die gesamte Bevölkerung, die die Kosten für die Umweltverschmutzung und die Klimakrise trägt, die aus der Verbrennung fossiler Energieträger resultieren. Die Schweiz ist keine isolierte Insel in Europa, sondern teilt das Schicksal dieses Kontinents, während die Temperaturen Jahr für Jahr weiter ansteigen.

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