Hype um Taylor Swift
Freddie Mercury kam ganz allein

Die US-Sängerin bricht alle Rekorde – und kommt in die Schweiz. Eine Achtzigerjahre-Anekdote um den Queen-Frontmann in Zürich zeigt, wie sehr sich die Gesellschaft seitdem gewandelt hat.
Publiziert: 07.07.2024 um 10:10 Uhr
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Aktualisiert: 07.07.2024 um 12:09 Uhr
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Reza RafiChefredaktor SonntagsBlick

Was ist nur mit Zürich los? Eine riesige Fläche, ein ganzes Quartier wird zur Sperrzone erklärt. Nicht für einen Tag oder zwei – nein: Vier volle Tage lang wird die Gegend zwischen Albisriederplatz und Stadion Letzigrund von heute an abgeriegelt. Man könnte meinen, eine Nachfolgekonferenz zum Bürgenstock-Gipfel finde statt. Weit gefehlt: Erwartet wird Taylor Swift, das amerikanische Pop-Phänomen, das singende Bollwerk der guten Laune in Zeiten der gefühlten Krise.

Um den Superstar schart sich ein ganzes KMU, ach was: ein Konzern der Superlative. Zwei Milliarden Dollar soll Swifts «Eras Tour» einspielen. Ihre persönliche Entourage soll mehrere Hundert Leute umfassen, die sich um Shows, Bühnenaufbau, Tanz, Garderobenwechsel, Sicherheit und technischen Support kümmern. Dazu wurden etliche weitere Zudiener angeheuert.

Die Sängerin bedient gekonnt die Sehnsucht nach einer mehrheitstauglichen Überfigur in Zeiten des «anything goes». Mit einem sonderbaren Widerspruch: Je näher die Leute durch die Digitalisierung zueinanderrücken, desto mehr zelebrieren sie die Distanz zu ihren Idolen – die aalglatte Hochglanz-Ästhetik der sozialen Medien ist der Heiligenschein unserer Tage.

Reza Rafi, Chefredaktor SonntagsBlick.
Foto: Philippe Rossier
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Wie aus einer fernen Welt mutet da die folgende Anekdote an, die mir kürzlich der legendäre Show-Unternehmer Albi Matter schilderte. Der betrieb in den Achtzigerjahren in Zürich-Altstetten, unweit von Swifts aktuellem Auftrittsort im Stadion Letzigrund, den Club Big Apple, wo die grossen Entertainer nach ihren Gigs feierten.

Eines Nachts, es muss 1986 gewesen sein, sei Queen-Frontmann Freddie Mercury in seinem Lokal aufgetaucht. Der unvergessene Exzentriker, der die Menschheit mit Songs wie «Under Pressure», «We are the Champions» oder «Bohemian Rhapsody» beschenkte, kam ganz alleine mit dem Taxi. Er sei etwas scheu gewesen, erinnert sich Matter. Dafür waren die Spuren der Verwüstung, die Mercury bei seinem Besuch im Hotel Atlantis hinterlassen hatte, einst Stadtgespräch.

Taylor Swifts Sicherheitsdispositiv soll 30 Millionen Dollar kosten. Früher musste man Zürich vor den Stars schützen. Heute muss man die Stars vor Zürich schützen.

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