Kantonaler Steuerwettberb überbordet
Mindeststeuer – auch für Privatpersonen

Grossverdiener können mit einem Umzug Millionen an Steuern sparen. Das Nachsehen haben die Steuerzahler in allen anderen Kantonen. Es braucht deshalb auch für Privatpersonen eine Mindeststeuer, sagt SonntagsBlick-Wirtschaftsredaktor Thomas Schlittler.
Publiziert: 12.02.2023 um 09:36 Uhr
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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

Wenn sich ein Grossverdiener sein Pensionskassen-Kapital von 10 Millionen Franken im zürcherischen Zumikon auszahlen lässt, werden dafür rund 2'040'000 Franken an Steuern fällig. In Freienbach im Kanton Schwyz dagegen, keine 20 Kilometer Luftlinie entfernt, muss er für die gleiche Kapitalauszahlung lediglich 750'000 Franken an Abgaben entrichten – also 1,3 Millionen Franken weniger. Angesichts solcher Unterschiede ist es logisch, dass Fastrentner von nah und fern versuchen, in einem Tiefsteuerkanton Unterschlupf zu finden. Die Frage ist nur: Wieso lassen wir solche Steuerunterschiede überhaupt zu?

Die Ursache ist unser Föderalismus, der Kantonen und Gemeinden weitreichende Autonomie einräumt. Das hat grosse Vorteile. Zum Beispiel wissen die Verantwortlichen einer Lokalregierung besser, was Bürgerinnen und Bürger bewegt, als Beamte einer weit entfernten Zentralregierung. Zudem haben Gemeinde- und Kantonsräte stärkere Motive, die Bedürfnisse ihrer Bevölkerung gut und effizient zu befriedigen. Schliesslich müssen sie vor Wählerinnen und Wählern Rechenschaft ablegen – und können nicht mit dem Finger nach Bern zeigen.

Wer Ausgaben verantwortet, muss auch die Einnahmen steuern können. Es ist daher sinnvoll, dass Kantone und Gemeinden ihre Steuersätze selbst bestimmen. Mittlerweile sind die Unterschiede jedoch so gross, dass sie längst nicht mehr mit der höheren Effizienz einer Behörde erklärt werden können. Auch damit, dass Schwyz ein «wirtschaftlich starker Kanton» ist, hat das nichts zu tun. Für solche Differenzen gibt es nur eine Erklärung: Steuerdumping.

Waren nie medienscheu: Urs Rohner (63), ehemaliger Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse, und seine Partnerin Nadja Schildknecht (49), Co-Gründerin des Zurich Film Festival.
Foto: STEFAN BOHRER
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Kleine Kantone, die noch dazu in der Nähe eines wirtschaftlichen Zentrums liegen, haben in diesem Spiel massive Vorteile. Ihnen genügt die Ansiedelung von wenigen Superreichen, um der gesamten Bevölkerung künstlich tiefe Steuersätze zu gewähren. Im Rahmen des Finanzausgleichs müssen sie zwar einen Teil ihrer Beute wieder abtreten. Unter dem Strich lohnt sich das Steuerdumping für sie trotzdem.

Das Nachsehen haben die Steuerzahler aller anderen Kantone. Um diese Fehlentwicklung zu stoppen, braucht es deshalb Mindeststeuersätze. Für Firmen dürfte eine solche Regelung – auf internationalen Druck – bald kommen. Es wäre der perfekte Zeitpunkt, eine vergleichbare Regelung auch für natürliche Personen ins Auge zu fassen.

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