Kolumne Geschichte von Claude Cueni
Schwein gehabt!

In der Alltagssprache wimmelt es von schweinischen Ausdrücken. Es wäre schön, wenn sich der Veganismus auch hier durchsetzen würde.
Publiziert: 23.01.2020 um 20:09 Uhr
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Aktualisiert: 06.02.2020 um 21:27 Uhr
Claude Cueni

Wer im Mittelalter kein Schwein hatte, musste sich mit fleischlosem Essen begnügen. Denn wo kein Schwein war, fehlte das Glück, und der Betreffende war «ein armes Schwein».

Aber auch wer Schwein hatte, war nicht immer glücklich darüber, denn bei Pferderennen und Armbrustwettbewerben erhielt der Viertplazierte als Trostpreis ein Schwein. Er musste damit zur allgemeinen Belustigung durchs Dorf laufen und den Spott ertragen. Er hatte somit Glück im Unglück, also nochmals: «Schwein gehabt».

Einige Historiker behaupten, das glückbringende Schwein sei einem Kartenspiel geschuldet, bei dem das Ass «Sau» genannt wurde. Zog man ein Ass, hatte man Schwein. Wahrscheinlich ist die Herkunft der Redewendung je nach Region unterschiedlich.

Claude Cueni, Schriftsteller.
Foto: Thomas Buchwalder

Schweinisches Gesudel

Ein niedliches rosa Schwein gilt heute als Symbol für Glück, Reichtum und Zufriedenheit. Auch im chinesischen Horoskop. Im Jahr des Schweins, das heute zu Ende geht, hat man wie üblich einen Anstieg der Geburtenraten verzeichnet. Für Juden und Muslime schwer verständlich, denn bei ihnen gilt das Schwein als unrein.

Im Mittelalter waren die meisten Menschen Analphabeten, und jene, die schreiben konnten, hatten oft eine Sauschrift, die «kein Schwein lesen konnte». Die Formulierung bezog sich jedoch nicht auf das Tier, sondern auf eine angesehene Gelehrtenfamilie namens Swien (Schwein), die manchmal Handschriften nicht entziffern konnte, worauf der enttäuschte Bittsteller klagte, dass «kein Schwein» (kein Swien) das Gesudel habe lesen können.

Vom Nazi zur Nazisau

Während ein «Schwein» sowohl männlich als auch weiblich sein kann und als Beschimpfung gilt, ist die vulgäre Steigerungsform Sau weiblich, und das ist aus feministischer Sicht doch «unter aller Sau». Doch das Schimpfwort hat mittlerweile eine sprachliche Zellteilung mit vielfältigen Mutationen erfahren. Es gibt das saugute Fondue bei saukaltem Wetter zu sauteuren Preisen.

In den sozialen Medien verwechseln manchmal Leute mit reduziertem Wortschatz die Kommentarspalten mit Kotztüten und «lassen die Sau raus». Beliebt ist das Upgrade von Nazi auf «Nazisau», populär seit kurzem die «Klimasau».

Es wäre schön, wenn sich der Veganismus auch in der deutschen Sprache durchsetzen würde.

Claude Cueni (64) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK. Seine ersten 50 BLICK-Kolumnen sind soeben unter dem Titel «Die Sonne hat keinen Penis» erschienen.

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