#aufbruch mit Patrizia Laeri
Jungs ohne Vorbilder

Das Schuljahr ist bald vorbei. Die Noten sind verteilt. Jungs werden reihum schlechtere Zeugnisse nach Hause tragen als Mädchen. Weltweit hinken Jungen beim Lesen und Schreiben immer weiter hinterher.
Publiziert: 10.07.2019 um 00:06 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2024 um 00:05 Uhr
Patrizia Laeri, SRF-Wirtschaftsredaktorin und Moderatorin.
Foto: Thomas Buchwalder
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Patrizia LaeriKolumnistin

Die OECD hat es in 64 Ländern untersucht – und überall lasen und schrieben Mädchen besser als Jungen. Mit 15 Jahren entsprach dieser Unterschied zwischen den Geschlechtern bereits einem ganzen Schuljahr. Das ist dramatisch. Auch in Mathe beträgt der Vorsprung drei Monate. Beide Geschlechter sind aber im Schnitt gleich intelligent. Warum also hinken die Buben derart hinterher? 

Sie haben zu wenig Vorbilder im Klassenzimmer. Es gibt immer mehr Belege, dass eine Lehrperson gleichen Geschlechts mehr motiviert und die Leistung verbessert. Männer sind für Jungs motivierender und stacheln sie an, sich zu steigern.

Doch gerade in der Unterstufe sind 95 Prozent der Lehrer Frauen. Es braucht aber beide, Männer und Frauen, um unsere Kinder zu bilden. Meine Söhne rechnen und lesen mit Frauen, musizieren mit Frauen, treiben Sport mit Frauen, werken mit Frauen. Das lässt sie oft seltsam orientierungslos zurück. Die einzigen Männer, mit denen sie in ihrem Schul- und Hobbyalltag konfrontiert sind, sind ihre Fussballtrainer. Auf die stürzen sie sich und buhlen um sie. Aber Jungs müssen spüren, dass sich Männer genauso für Bildung interessieren wie für Fussball. 

Das, was Frauen im Job erleben, erfahren Buben in der Schule. Zugespitzt gesagt: Sie sehen nur Frauen, die gescheit sind. Frauen sehen nur Männer, die führen. Buben und Frauen sind dadurch gleichermassen gebremst. Während Frauen im Job wegen fehlender Vorbilder in Chefetagen oft verzagen oder gar ganz aufhören zu arbeiten, ergeht es Buben so in der Schule. Ohne Männer verlieren viele Jungs gänzlich das Interesse am Lernen. 

Seit Jahren versuchen in der Schweiz der «Verein Männer an die Primarschule» und andere Initiativen, Männer und Quereinsteiger für den Beruf zu motivieren. Erfolglos. Es braucht mehr. Schulen weltweit sind alarmiert und starten deshalb neue Programme, um Jungs zum Lesen zu motivieren. Viele laden Väter oder männliche Promis in Schulen ein. Viele Jungs sehen während solcher Projekte erstmals in ihrem Leben Männer lesen. Aber es braucht auch endlich viel mehr Anerkennung und Lohn für diese enorm wichtige Arbeit mit Kindern. Schulen ohne männliche Vorbilder sind eine gefährliche Talentverschwendung. Männer, lasst die Jungs nicht hängen! #aufbruch

*Patrizia Laeri (42) ist Wirtschaftsredaktorin und -moderatorin von «SRF-Börse» und «Eco» sowie Beirätin im Institute for Digital Business der HWZ. Sie schreibt jeden zweiten Mittwoch für BLICK.

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