BLICK auf die USA: US-Reporter Nicola Imfeld über die Auswirkungen einer Flaute an der Wall Street für Donald Trump
Wahlkiller Rezession

Jede Woche schreibt BLICK-US-Reporter Nicola Imfeld in seiner Kolumne über ein Thema, das jenseits des Atlantiks für Aufsehen sorgt. Heute analysiert er die Auswirkungen einer drohenden Rezession für Donald Trump.
Publiziert: 16.08.2019 um 18:23 Uhr
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Aktualisiert: 06.03.2020 um 07:29 Uhr
Nicola Imfeld aus San Diego (USA)

Donald Trump musste am Donnerstagmorgen wohl zweimal leer schlucken, als er die Headlines der grössten US-Zeitungen las: «Grösste Talfahrt des Jahres», «Die Märkte werden erschüttert» oder «Wall Street in Panik».

Den Schuldigen für den miserablen Tag an der Börse machte der US-Präsident schnell aus. Noch vor dem Mittag twitterte er in die Welt hinaus: «Die Fake-News-Medien tun alles, was sie können, um die Wirtschaft zu stürzen, weil sie denken, dass das schlecht für mich und meine Wiederwahl sein wird.»

Zumindest mit dem letzten Teilsatz trifft Trump ins Schwarze. Um im November 2020 wiedergewählt zu werden, braucht er eine florierende Wirtschaft im Rücken.

Nicola Imfeld, US-Reporter für BLICK.
Foto: Nicola Imfeld
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Denn ein Blick zurück zeigt: Kein anderer Faktor fällt so sehr ins Gewicht wie die Lage der Wirtschaft, wenn es um die Wieder- oder Abwahl eines US-Präsidenten geht. Seit dem amerikanischen Bürgerkrieg im 19. Jahrhundert wurde nur ein Präsident wiedergewählt, bei dem in den letzten beiden Kalenderjahren seiner ersten Amtszeit eine Rezession auftrat: William McKinley im Jahr 1900.

An dieser Regel wird auch ein Donald Trump nicht vorbeikommen. Gerade er, der sich regelmässig und lauthals als Baumeister der boomenden US-Konjunktur verkauft, dürfte eine Rezession politisch kaum überleben. Es ist auch das Argument Wirtschaft, das so viele konservative Wähler, die an Trumps Stil überhaupt keinen Gefallen finden, bei Laune hält.

Zur Not hilft auch ein schneller Deal mit China

Donald Trump ist sich der drohenden Ausgangslage bewusst. Der Handelsstreit mit China, der Brexit, die schwächelnde Wirtschaft von EU-Primus Deutschland und neuerdings auch die Unruhen in Hongkong drücken die Stimmung an der Wall Street erheblich. Unter anderem auch deshalb übt Trump regelmässig öffentlichen Druck auf Fed-Chef Jerome Powell aus, die Zinsen weiter zu senken. Damit die Partystimmung an der Börse noch weitergeht.

Doch viele US-Ökonomen sind sich einig: Die Anzeichen mehren sich, dass das Land nach zehnjähriger Börsenparty in eine Rezession rutscht. Diese liegt vor, wenn die Wirtschaft zwei Quartale in Folge und im Vergleich zum Vorjahr nicht wächst oder sogar einen Rückgang verzeichnet.

Das Märchen, dass Trump im Alleingang dafür sorgen wird, dass es wirtschaftlich bis zum Sankt Nimmerleinstag aufwärtsgeht, glaubt an der Wall Street keiner. Zu wenig Einfluss hat der US-Präsident auf die langfristige Entwicklung der Wirtschaft.

Kurzfristig kann er aber sehr wohl die Rezession hinauszögern – auch ohne Zinserhöhung durch Notenbankchef Powell: Zum Beispiel mit einer schnellen Einigung im Handelsstreit mit China. Dass Trump mit Peking eine Lösung, im Zweifelsfall auch einen für die USA unvorteilhaften Deal eingehen würde, ist ihm zuzutrauen. Denn er hat nur ein Ziel vor Augen: die Wiederwahl 2020.

Was danach kommt, scheint ihm egal zu sein. Vorerst, zumindest.

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