Claude Cueni über die Kraft der heutigen Weltsprache
Do you speak English?

Die englische Sprache dominiert unser Leben – ob wir das nun mögen oder nicht. Doch das hat auch praktische Seiten, die wir endlich zur Kenntnis nehmen sollten.
Publiziert: 05.08.2022 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 04.08.2022 um 21:58 Uhr
Claude Cueni

«Lasst uns ihre Sprache verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe!» In der biblischen Sage verhindert Gott den Turmbau zu Babel mit der «babylonischen Sprachverwirrung»: Fortan reden die Handwerker in 72 Sprachen aneinander vorbei und bringen keinen Stein mehr auf den andern.

Die EU wollte ein solches Chaos vermeiden. Doch sie wählte nicht eine einzige europäische Amtssprache, sondern lässt jährlich für 1,1 Milliarden Euro zwei Millionen Seiten in 24 Sprachen übersetzen. Obwohl praktisch alle Malteser Englisch sprechen, wird auch ins Maltesische übersetzt.

Englisch ist die Nummer eins

Jedes erfolgreiche Start-up, das mit weltweit verstreuten Freelancern arbeitet, pflegt Englisch als Business-Sprache. In meiner Familie sind die Muttersprachen Französisch, Deutsch, Chinesisch und Tagalog. Wie verständigen wir uns? Auf Englisch.

Beim Turmbau zu Babel verwirrte Gott die Handwerker mit 72 Sprachen.
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Wer seine Ferien in fremdsprachigen Ländern verbringt, macht die Erfahrung, dass man sich in Sierra Leone oder Hongkong kaum auf Deutsch, Französisch, Italienisch oder Rätoromanisch unterhalten kann, aber meistens auf Englisch. Von den über 7000 Sprachen, die auf der Welt gesprochen werden, ist Englisch, bedingt durch die britische Kolonialgeschichte, die Nummer eins.

Englisch sollte in die Primarschule

Unsere Alltagssprache ist durchsetzt von englischen Ausdrücken, wir nehmen diese gar nicht mehr als fremdsprachig wahr. Wir hören englische Songs und schauen amerikanische Filme. Englisch ist die Sprache der Wissenschaft. Die grösste Ansammlung von Wissen liegt in Englisch vor.

Jeder kann sich autodidaktisch über die nationalen Sprachgrenzen hinaus weiterbilden, sofern er einen Internetanschluss hat und Englisch spricht. Die Karriereleiter von Jugendlichen schrumpft zur Bockleiter, wenn sie kein Englisch sprechen. Es wäre sinnvoll, wenn in Primarschulen Englisch als Zweitsprache eingeführt würde. In diesem Alter lernt man Sprachen schnell.

Lernen von den Lateinern

In der römischen Antike förderte Latein Verständigung und Zusammenhalt des Imperiums. Im Hinblick auf die vermehrte Zuwanderung aus bildungsschwachen Kulturen wäre Englisch als zweite Landessprache hilfreich für die Integration der Integrationswilligen. Vielleicht braucht auch die Politik einen Booster, um das aktuelle Sprachengesetz zu überdenken.

Claude Cueni (66) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag im Blick. Am 23. August erscheint sein Thriller «Dirty Talking».

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