Editorial von Reza Rafi
Urs Rohner, ein Boss mit KV-Schläue

Urs Rohner hat schon viel mit der Credit Suisse durchgemacht. Wie lange wird er noch bleiben?
Publiziert: 09.02.2020 um 08:46 Uhr
|
Aktualisiert: 09.02.2020 um 12:42 Uhr
Reza Rafi, Stv. Chefredaktor SonntagsBlick
Foto: Anja Wurm

Liebe Leserin, lieber Leser

September 2011, mitten in der dramatischen Phase des Steuerstreits mit den USA: Der Schweizer Finanzplatz stand unter maximalem Druck. Da ereilte mich das Journalistenglück. Eine
interne Quelle schilderte, wie die Credit Suisse soeben persönliche Daten der eigenen Kundenberater nach Amerika geliefert hatte. Für die Arbeitnehmer der Bankbranche war das ein Schreckensszenario, für den Bundesrat unerlässlich, für manche Politiker schlicht ein Skandal. Ich war zu der brisanten Information gekommen wie die Jungfrau zum Kind.

Nach Erscheinen des Artikels bekamen wir Post auf der Redaktion: eine Abmahnung. Die Grossbank zwang mich unter Strafandrohung, Besagtes, da falsch, nie mehr öffentlich zu behaupten. Das Muskelspiel zeitigte Erfolg; natürlich unterschrieb ich.

Kurze Zeit später entpuppte sich das Advokatenschreiben als reiner Bluff, als taktisches Manöver, auf das ich hereingefallen war: Mittlerweile war offiziell bekannt geworden, dass die Bank ihre eigenen Leute in Washington geopfert hatte.

Der Präsident des Konzerns war ziemlich neu auf seinem Posten. Sein Name: Urs Rohner. Der Anwalt erstaunte schon damals mit seiner geschmeidigen Karriere: Einst in der Glitzerwelt des deutschen Privatfernsehens tätig, wurde er in den Nullerjahren, während der grossen Schwarzgeldparty der Finanz-wirtschaft, Chefjurist der Bank. Und schaffte es bravourös, später nie von der US-Justiz behelligt zu werden. Ins Visier geriet stattdessen der damalige US-Offshore-Verantwortliche. Genauso schadlos überstand Rohner die Milliardenbusse, die sein Unternehmen an die USA zu entrichten hatte.

Während die Branche um ihr schwindendes Ansehen rang, der CS-Aktienkurs vor sich hin dümpelte und Bundesbern um die Bankenregulierung stritt, schwebte Rohner irgendwo zwischen Opernball und Zurich Film Festival.

Nun hat er die Finanzwelt erneut verblüfft: Aus der Beschattungsaffäre um CEO Tidjane Thiam und Ex-CS-Mann Iqbal Kahn tritt Rohner als Sieger hervor. Nicht er, sondern Thiam muss gehen. Der Verwaltungsrat entschied einstimmig – eine imposante Machtdemonstration nach den voreiligen Abschiedsgesängen der Wirtschaftspresse auf den VR-Präsidenten. Alles perlt an ihm ab. Bewundernswert – Urs Rohner, ein Boss mit KV-Schläue.

Irgendwann nach der erwähnten Abmahnung 2011 wurde die Herausgabe der mitarbeiterdaten zum spektakulären Gerichtsfall. Eine Bankerin hatte in Genf geklagt. Und das Parlament begann sich der Sache anzunehmen. Auch das hat Rohner – natürlich – glänzend überstanden.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?