Editorial von SonntagsBlick-Chefredaktor Gieri Cavelty
Das sind die wichtigsten Lehren aus dem Schreckensjahr

Ein Grossteil der Erwachsenen lässt sich impfen. Wenn wir ausserdem unsere Kinder durch Massentests an Schulen schützen, dürften Herbst und Winter einen viel glimpflicheren Verlauf als beim letzten Mal. Doch es sollte noch mehr getan werden – Corona ist nicht vorbei.
Publiziert: 16.05.2021 um 00:59 Uhr

Wäre Daniel Koch noch im Amt, wäre es für ihn an der Zeit, wieder in seinen alten Anzug zu schlüpfen und in die Aare zu hüpfen. Die Corona-Zahlen sinken in ganz Europa – einerlei, ob ein Staat nur strenge oder überaus strenge Massnahmen ergriffen hat. Das zeigt: Covid ist in der Tendenz eine saisonale Seuche, und wir dürfen uns auf entspanntere Tage freuen.

Mit seinem Aarebad vor einem Jahr sandte Daniel Koch das falsche Signal aus: Man darf sich gehen lassen! Viel zu viele Politiker und Beamte taten es dem abtretenden BAG-Mediziner gleich. Anstatt die Zeit zu nutzen, um sich auf den Corona-Herbst und -Winter vorzubereiten, gab es 2020 einen Sommer der verpassten Chancen. Das ist heuer anders: Herr und Frau Schweizer lassen sich impfen. Werden ausserdem unsere Kinder und die übrige mobile Bevölkerung regelmässig getestet, nimmt die kommende kalte Jahreszeit mit an Absolutheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen wesentlich glimpflicheren Verlauf.

Doch man könnte mehr tun. So unterstützen einzelne Regierungen in der EU Restaurants und Bars bei der Installation von Belüftungsanlagen. Bekanntlich ist die Gefahr einer Corona-Ansteckung in Innenräumen am grössten. Warum gibt es hierzulande keine solche Subvention? Und wären die Sommerferien nicht der ideale Zeitpunkt, um auch in den Schulen wirksame Lüftungen einzubauen?

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Ohnehin gehörte es zu einer vorausschauenden Planung, würde der Bund mit Blick auf Herbst und Winter heute bereits Richtwerte für Frischluft in öffentlich zugänglichen Gebäuden festlegen. Sollte sich die Situation erneut zuspitzen – etwa wenn der Impfschutz allzu schnell absinkt –, wären Fensteröffnen respektive Aufdrehen der Lüftung besser, als Restaurants zu schliessen und Veranstaltungen zu verbieten. Überprüfen lässt sich die Luftqualität im Übrigen sehr leicht, mit Geräten, welche die CO2-Konzentration messen.

Bis das Virus nicht zur Harmlosigkeit mutiert ist, müssen sich Geimpfte vermutlich regelmässig weitere Spritzen setzen lassen. Wie mein Kollege Sven Zaugg im aktuellen SonntagsBlick schreibt, werden diese sogenannten Booster deutlich teurer sein als die Grundimpfung. Die Pharmafirmen wollen ganz gross Kasse machen! Das ist schon deswegen stossend, weil die Covid-Vakzine ohne die Milliardeninvestitionen der öffentlichen Hand nicht derart rasch marktfähig gewesen wären. Eine Lehre aus der Pandemie lautet darum: Die Staaten täten gut daran, Erforschung und Herstellung von Impfstoffen wieder in die eigene Hand zu nehmen. Bis vor 20 Jahren war das ja selbstverständlich, gerade in der Schweiz.

Eine andere Erkenntnis aus dem Corona-Jahr gilt es in jedem Fall in die Tat umzusetzen: Die Pflegeberufe verdienen höchste Anerkennung. Das heisst konkret, es braucht mehr und besser entlohntes Personal.

Corona ist nicht vorbei. Das zeigt der Massenausbruch diese Woche an einer Primarschule im Kanton Neuenburg. Zumindest aber haben wir den Kopf wieder so weit frei, um aus dem Geschehenen die treffenden Schlüsse zu ziehen. Einige Punkte habe ich hier aufgeschrieben. Weitere kommen hinzu, wenn man erst einmal das (Nicht-)Handeln der Verantwortungsträger in der Krise beleuchtet. Wenn man beispielsweise fragt: Weshalb hat sich das Bundesamt für Gesundheit so lange gegen das breite Testen der Bevölkerung gewehrt? Inwiefern erschwerten die Strukturen und die Mentalität in der Verwaltung ein rascheres Eindämmen der Pandemie? Mit den richtigen Antworten kann sich die Schweiz besser wappnen für künftige Gefahren.

Freuen wir uns auf das baldige Bad in Aare oder Zürichsee! Darüber sollten wir freilich nicht vergessen, was passiert ist. Wir haben viel gelitten. Aber wir können daraus lernen.

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