Editorial von SonntagsBlick-Chefredaktor Gieri Cavelty
Wenns drauf ankommt, machen es die Blochers auch nicht besser

Magdalena Martullo und Christoph Blocher schüren die Wut auf Alain Berset. Doch wenn es bei den Corona-Massnahmen drauf ankommt, dann machen sie es auch nicht besser.
Publiziert: 21.02.2021 um 01:30 Uhr
Gieri Cavelty, Chefredaktor SonntagsBlick.
Foto: Paul Seewer

Am Ende seines Romans vom «Zauberberg» diagnostiziert Thomas Mann eine «grosse Gereiztheit», die sich nach Jahren von Stillstand und Isolation wie eine Krankheit unter den Bewohnern des Sanatoriums Berghof in Davos ausbreitet. «Was lag in der Luft? – Zanksucht. Kriselnde Gereiztheit. Namenlose Ungeduld. Eine allgemeine Neigung zu giftigem Wortwechsel, zu Wutausbruch, ja zum Handgemenge.»

Am 25. Februar 2020 wurde der erste Corona-Fall in der Schweiz bestätigt. Ein Jahr, 9200 Corona-Tote und insgesamt vier Monate im Lockdown später ist die grosse Gereiztheit zum bestimmenden Lebensgefühl von uns allen geworden.

Selbst wer in den prächtigsten Gemächern auf dem Zauberberg logiert, bleibt nicht verschont. Besonders wütend zeigt man sich an der Spitze der SVP. Vater Christoph Blocher und Tochter Magdalena Martullo verunglimpfen Gesundheits­minister Alain Berset als Diktator und heizen so die Stimmung zusätzlich an.

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Natürlich läuft in Bersets Departement einiges falsch. Während die Lage eigentlich nach frischen Ideen verlangt, nach ganzheit­lichem Denken und praktischer Intelligenz, herrschen dort eine Silo-Mentalität, Misstrauen und eine sich selbst erfüllende Angst vor Fehlern.

Nur ein Beispiel: die Massentests. Graubünden will die ­Ausbreitung des Virus durch ­regelmässiges Testen eines ­grossen Teils der Bevölkerung verhindern. Gelingt das, müsste das öffentliche Leben weniger eingeschränkt werden. Berset selbst nannte dieses Vorgehen am Mittwoch vor den Medien «einen wichtigen Pfeiler für eine gute Entwicklung der Situation». ­Zuvor hatte sich der Bund grundsätzlich bereit erklärt, das Vor­haben zu finanzieren. Allerdings muss jeder Test einzeln abgerechnet werden – das führt zu ­einem absurden Aufwand und entsprechenden Mehrkosten. Auf diese Weise sorgt das Bundesamt für Gesundheit dafür, dass an­dere Kantone, die es Graubünden im Grunde gleichtun wollen, ­lieber die Finger davon lassen.

Das Projekt mit den Massentests gelobt hat auch die Bündner ­SVP-Nationalrätin und Unternehmerin Magdalena Martullo. Im ­gleichen Interview mit der «NZZ», worin sie Berset zum ­Diktator stempelte, stellte sie die fin­digen Bergler den so ignoranten wie ­arroganten Berner Beamten ­gegenüber. Bloss: Ausgerechnet Martullos Ems-Chemie nimmt nur sehr beschränkt am Test-­Programm in ihrem Kanton teil. Während rund 500 Betriebe in Graubünden alle Angestellten ­regelmässig aufs Virus unter­suchen lassen, ist dies bei der Ems lediglich den Lehrlingen vergönnt. Offenbar kostet Mag­da­lena Martullo umfassendes Testen zu viel wertvolle
Arbeitszeit.

Am 25. Februar 2020 wurde der erste Corona-Fall in der Schweiz bestätigt. Zu diesem Zeitpunkt wusste niemand, was da auf uns zukommt. Völlig unbedarft war man aber schon damals nicht. Anfang Februar 2020 war an ­dieser Stelle zu lesen: «Epidemien trüben die Wahr­nehmung und sie gefährden die Wahrheit. Gerade darum muss man bei ­jeder neuen Krankheit besonders hinschauen und fragen: Was ­geschieht hier eigentlich genau?»

Das ist nach einem Jahr nicht ­anders. Familie Blocher schürt zwar die Wut auf Alain Berset und seine Beamten. Doch wenn es bei den Corona-Massnahmen drauf ankommt, dann macht sie es auch nicht besser.

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