Editorial von SonntagsBlick-Chefredaktor Gieri Cavelty
Zielscheibe Petra Gössi

Am Abstimmungswochenende stand Petra Gössi mit ihrem Umweltkurs auf Seite der Verlierer. Den Parteivorsitz gibt sie aber nicht wegen dieser einen Niederlage ab. Das ständige Spiel gegen die Frau hat sie zermürbt. Ihre Demission zeugt aber auch von Charakterstärke.
Publiziert: 20.06.2021 um 00:18 Uhr
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Aktualisiert: 20.06.2021 um 06:16 Uhr

Vor ein paar Monaten geigte mir Petra Gössi ihre Meinung. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt derart zusammengestaucht wurde. An jenem Samstag im März hatte sie via Twitter gemeldet, sie werde wegen eines Nachdiplomstudiums eine Woche im Parlament fehlen. Ich fand das ungewöhnlich genug, um bei der FDP-Präsidentin nachzufragen, ob sie denn die richtigen Prioritäten setze. Das Gespräch machte mir klar: Hier hat jemand ordentlich die Nase voll. Von mehr oder minder impertinenten Journalistenfragen. Aber nicht nur.

Das Café im Bundeshaus, ein Tag in der Herbstsession 2019: FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen betritt den Raum und lässt gut hörbar eine abschätzige Bemerkung über seine Parteichefin fallen. Wochen zuvor hatte Gössi die freisinnigen Delegierten von einem grüneren Kurs in Umweltfragen überzeugt – gegen den Widerstand von Wasserfallen. Auch sonst war in der Karriere des einstigen Jungstars der Berner FDP vieles nicht nach Wunsch gelaufen. Parteipräsident wurde er nicht. Regierungsrat, Fraktionschef, Präsident des ACS – alle Pläne waren geplatzt.

Da eignete sich Petra Gössi offenbar ganz wunderbar als Blitzableiter für einen Zukurzgekommenen.

Gieri Cavelty, Chefredaktor SonntagsBlick.
Foto: Paul Seewer

Gewiss, innerparteiliche Opposition gab es im Freisinn schon immer. «Zu viele Dissidenten spuckten in unsere eigene Suppe», klagte einst FDP-Präsident Fulvio Pelli. Bei seiner Nachnachfolgerin freilich hatte die Kritik oft eine frauenfeindliche Färbung. Gössi sei «ein sympathisches Aushängeschild», zitierte die «NZZ am Sonntag» vor zwei Jahren anonyme FDP-Parlamentarier. Doch sei sie «nicht die begabteste Strategin». Die Fäden ziehe der Generalsekretär. Natürlich ein Mann.

Am Abstimmungswochenende stand Petra Gössi mit ihrem Umweltkurs und ihrem Ja zum CO2-Gesetz auf Seite der Verlierer. Den Parteivorsitz gibt sie aber nicht wegen dieser einen Niederlage ab. Das ständige Spiel gegen die Frau hat sie zermürbt. Zugleich indes zeugt ihre Demission von Charakterstärke: Hier handelt eine Politikerin, die dem persönlichen Machterhalt nicht alles unterordnet. Gössi gehört zu den wenigen im Bundeshaus, die sich ein erfülltes Leben auch ausserhalb vorstellen können. Und die darum nicht bereit sind, unentwegt Ränke zu schmieden. Entsprechend gelöst wirkte sie in den Tagen nach ihrer Rücktrittserklärung.

Zu den Siegern vom Abstimmungssonntag gehörte Markus Ritter, Mitte-Nationalrat und Präsident des Bauernverbandes. Mit der teuersten Kampagne in der Verbandsgeschichte war es ihm gelungen, die beiden Landwirtschafts-Initiativen zu bodigen.

Ein Bauernhof im Bernbiet, Juli 2019: Markus Ritter hat zu einer Medienkonferenz über den Treibhauseffekt geladen. «Die Bauern müssen aktiv etwas fürs Klima tun», sagt er. Schliesslich seien sie von den Folgen der Erderwärmung besonders betroffen. Für den Bauernverband sei die Revision des CO2-Gesetzes darum zentral.

Als es in den letzten Monaten dann allerdings darum ging, für dieses CO2-Gesetz öffentlich einzustehen, hielt sich Ritter abseits. Zwar konnte er nicht verhindern, dass der Vorstand des Bauernverbandes die Ja-Parole fasste. Doch Ritter sorgte dafür, dass seine Organisation in der Pro-Kampagne nirgendwo erwähnt wurde.

Er wollte die SVP als Gegnerin des CO2-Gesetzes und Verbündete im Kampf gegen die Landwirtschaftsvorlagen nicht verärgern.

Markus Ritter liess sich den Triumph vom Sonntag also nicht nur viel Geld kosten. Er opferte dafür auch seine Überzeugungen.

Wenn Sie mich fragen, ist mir so viel Heimlifeisserei unheimlich. Da bevorzuge ich die Unverstelltheit einer Petra Gössi. Selbst wenn das bedeutet, dass sie einem zwischendurch mal gehörig den Tarif durchgibt.

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