Er verweigert das Gespräch – Meyer rät
«Benennen Sie Ihre Gefühle!»

Mein Mann hat mich (w, 56) vor einigen Monaten von einem Tag auf den anderen verlassen – wegen einer anderen Frau. Mit mir darüber reden will er nicht. Es geht mir sehr schlecht deswegen.
Publiziert: 01.07.2023 um 18:22 Uhr
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Thomas MeyerSchriftsteller und Kolumnist

Kein Wunder, das ist ja auch ein höchst empörendes Verhalten. Nicht, weil ihr Mann nicht mehr mit Ihnen, sondern mit einer anderen Frau zusammen sein wollte. Beides ist legitim und steht ausserdem nicht in seiner Macht. Wir können nichts für unsere Gefühle. Wir können aber sehr wohl etwas dafür, wie wir mit ihnen umgehen. Ihr Mann hat leider entschieden, Ihnen wichtige Gespräche zu verweigern und sein Leben einzig nach seinen Bedürfnissen umzugestalten.

Natürlich wären diese Gespräche anstrengend und schmerzhaft ausgefallen. Dass man darauf keine Lust hat, ist nachvollziehbar – aber ist «keine Lust» etwas, was in einer Partnerschaft, die diesen Namen verdient, überhaupt Gewicht hat? Ist man einander nicht so weit verpflichtet, dass gewisse Opfer zu erbringen sind? Ihr Mann hätte Ihnen von seiner schwindenden Liebe berichten müssen sowie von der anderen erblühenden und mit Ihnen zusammen einen Weg durch diese Veränderung suchen müssen. Mehr als das hätte es gar nicht gebraucht. Es hätte Ihnen bewiesen, dass er Sie zwar nicht mehr liebt, aber als Menschen weiterhin achtet.

Sie haben ein Trauma erlebt. Und auch wenn es ein alltägliches Trauma ist, weil es da draussen viele kaltherzige Egoisten gibt, beiderlei Geschlechts wohlgemerkt, ist es dennoch eine verhängnisvolle Erfahrung. Es wird Ihnen helfen, ein Gefühlstagebuch zu führen: Kaufen Sie ein Notizbüchlein, in dem Sie jeden Morgen und jeden Abend Ihre vorherrschende Emotion in Bezug auf Ihre Trennung festhalten.

«Fluchen Sie, bis Ihnen kein Schimpfwort mehr einfällt», rät Thomas Meyer.
Foto: Getty Images/Tetra images RF

Sie können diese Geschichte nicht ändern. Aber Sie können Ihre Gefühle genau benennen und sie dadurch leichter annehmen. Fluchen hilft übrigens auch – in Ihnen ist bestimmt eine Menge Wut, und die muss raus. Fluchen Sie, bis Ihnen kein Schimpfwort mehr einfällt. Sie werden sehen, es wird Ihnen bald besser gehen.

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