Das Wort «obwohl» in Ihrer Frage weist auf Ihr Dilemma hin: Einerseits halten Sie Ihren Partner für einen tollen Mann, andererseits aber offenbar für einen schlimmen Wüstling, aufgrund dessen, dass er vor Ihnen mit mehreren anderen Frauen intim gewesen ist. Haben Sie ein Recht auf diese Empfindung? Ja, wie auf jede andere Empfindung auch. Haben Sie ein Recht, Ihrem Partner diese Empfindung vorzuhalten? Nein. Er kann nichts dafür, dass Sie seine Vergangenheit als problematisch bewerten. Er kann auch nichts mehr dran ändern. Er ist, wer er ist: ein Mann, der viele Frauen hatte.
Das haben Sie vermutlich erfahren, nachdem Sie ihn zu Ihrem Partner gemacht haben. Anstatt aber nun zu reagieren wie die Käuferin eines Gebrauchtwagens, der nach Vertragsabschluss lauter zuvor unentdeckte Mängel auffallen, sollten Sie sich fragen: Was stört Sie genau? Welche Anzahl Liebhaberinnen würden Sie Ihrem Partner ohne schlechte Gefühle zugestehen können? Und warum ist die tatsächliche Zahl für Sie zu viel? Fürchten Sie, ein gefährliches Muster erkannt zu haben und demnächst verlassen zu werden?
Anstatt Ihrem Partner etwas vorzuhalten, das Sie letztlich gar nichts angeht, sollten Sie ihm ehrlich sagen, was das Wissen über seine Vorgeschichte in Ihnen auslöst. Denn hier geht es nicht um Moral, sondern um Ihren Selbstwert, und Ihr Problem löst sich nicht, indem Sie Ihrem Partner Vorwürfe machen. Was soll er auch damit anfangen? Ihm bliebe nur, seine Erfahrungen, von denen gewiss viele genussvoll waren, in die Bedeutungslosigkeit zu reden, damit Sie sich besser fühlen. Und das wäre kein gutes Zeugnis für Ihre Beziehung.
Ein deutlich günstigeres ergäbe sich, wenn Sie sich Ihrer Unsicherheit stellen und offen mit Ihrem Partner darüber sprechen. Erst dann kann er gebührend und sinnvoll reagieren.
