Kolumne «Alles wird gut» über Vorsätze
Wider das Gift der guten Gewohnheiten

Vorsätze fürs neue Jahr – viele haben sie. Falls Sie noch gute Vorsätze suchen, hat Kolumnistin Ursula von Arx zwei Vorschläge.
Publiziert: 02.01.2023 um 16:26 Uhr
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Ursula von ArxJournalistin und Buchautorin

Wir wissen, dass grosse Pläne oft in die Hosen gehen, dass wir miserabel darin sind, vorherzusagen, was uns glücklich macht, dass wir uns nicht entkommen können. Trotzdem ist die Sehnsucht gross nach einem Neustart. Suchen Sie noch Vorsätze fürs neue Jahr? Hier sind zwei, die Ihr Leben garantiert verdichten werden.

Erstens: Wählen Sie drei Beschäftigungen aus, auf die Sie im neuen Jahr verzichten. Sie werden ihnen nicht mehr nachgehen, auf keinen Fall, Schluss damit, aus die Maus. Dabei geht es nicht darum, dass Sie weniger an Ihren Fingernägeln kauen oder weniger an Ihren Kindern rummeckern wollen. Weniger die schlechten Gewohnheiten, sondern gute sollen Sie sausen lassen. Warum? Damit die Welt ein besserer Ort wird.

Sie verabschieden sich zum Beispiel von Ihren zahllosen Bemühungen um ein Wiedersehen mit Ihrem verlotterten Primarschulfreund. Denn Sie haben nicht Zeit für alles, nicht mal für alles Wichtige. Also müssen Sie die guten Taten von den besseren unterscheiden lernen. Vielleicht finden Sie im neuen Jahr auch keine Zeit mehr für Ihre Fotosammlung oder Ihren verwitweten Onkel. Dafür können Sie sich besser um Ihren erkrankten Freund kümmern.

Langweilen Sie sich – so lautet der Rat von unserer Kolumnistin.
Foto: plainpicture/Eltinger

Der zweite Vorsatz geht weiter: Tun Sie täglich nichts.

Denn das rastlose Beschäftigtsein macht Ihr Inneres unantastbar. Es ist eine Flucht vor der Leere, der Ruhe, vor Ihnen selbst. Beginnen Sie also mit dem Nichtstun, sobald Sie diese Kolumne zu Ende gelesen haben. Wenn Sie glauben, keine Zeit für die Langeweile zu haben, fangen Sie mit fünf Minuten an. Jeden Tag während fünf Minuten tun Sie: nichts. Wenn Sie dabei ein schlechtes Gewissen haben sollten, können Sie diese fünf Minuten vollkommener Faulheit, die fünf Minuten vollkommener Freiheit sind, auch Meditation nennen. Aber nur, wenn Sie hoch und heilig versprechen, gleich wieder zu vergessen, dass es Studien gibt, wonach Meditation kreativer, produktiver, glücklicher mache.

So sitzen Sie also auf Ihrem Stuhl und atmen. Sie denken nichts, wollen nichts, haben nichts, Sie atmen. Wenn Sie zur Steuererklärung abschweifen, atmen Sie weiter. Wenn Sie an den nicht abgeernteten Quittenbaum denken, der Ihnen in seiner Fülle traurig und glücklich zugleich erschien, atmen Sie weiter. Wenn Sie zu faul zum Atmen sind, denken Sie: Alles wird gut.

Ursula von Arx regt sich manchmal über die Faulheit anderer auf. Wahrscheinlich, weil ihr das Talent dazu fehlt. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im Blick.

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