Kolumne «Meine Generation» über den Generationenstreit in der Klimafrage
Ihr fürchtet ums Abendland, wir um den Planeten!

Kolumnistin Noa Dibbasey findet es schwer erträglich, dass die ältere Generation nur dumme Sprüche für die Klimasorgen der jungen Generation übrighat.
Publiziert: 27.01.2023 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 26.01.2023 um 21:49 Uhr
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Noa DibbaseyKolumnistin

Ich sträubte mich immer gegen eine Kolumne zur Klimabewegung. Das Thema ist irgendwie ausgelutscht. Ausserdem: Dass etwas gegen die Klimakrise unternommen werden muss, ist doch allen klar. Dachte ich.

Doch dann musste ich mir eingestehen: Trotz aller Fakten, all der zugänglichen Informationen herrscht noch immer eine riesige Ignoranz. Was mein Fass schlussendlich zum Überlaufen brachte: die unaufhörlichen Sprüche der älteren Semester.

Sie haben immer einen abschätzigen Kommentar für auf der Strasse klebende Klimaaktivistinnen übrig. Wettern gehässig über die Demonstrierenden in Lützerath. Haben zu allem eine Meinung. Aber ein bisschen Empathie? Die sucht man in solchen Konversationen vergebens.

Klimaaktivisten von Renovate Switzerland klebten sich im Oktober auf der Lorrainebrücke in Bern fest.
Foto: keystone-sda.ch

Merken sie denn nicht, dass hinter diesen Aktionen einfach eine riesige Verzweiflung steckt? Dass meine Generation erschaudert, wenn sie an die Zukunft denkt? Niemand bekleckert Ölbilder zum Spass, sondern weil sonst niemand handelt. Weil Versprechen nicht eingehalten werden und die Mühlen der Politik viel zu langsam mahlen.

Es ist schade, dass unser Wunsch nach einer bewohnbaren Erde ins Lächerliche gezogen wird. Während sie vor dem Untergang des Abendlandes warnen, fürchten wir (und übrigens auch die Wissenschaft) den Untergang eines lebenswerten Planeten.

Ich weiss, was jetzt kommt: «Aber du ...» – und dann irgendeine Klimasünde. Stimmt: Ich trage mit meinem Lifestyle zur Katastrophe bei. Aber im Vergleich zu Grossunternehmen und Superreichen gleicht mein Beitrag einem Mückenfurz. In Deutschland produzieren 30 Firmen ein Drittel aller Emissionen!

Und Influencerin Kylie Jenner hüpft für drei Minuten in ihren Privatjet, um schneller ans andere Ende von Los Angeles zu gelangen. Aber ich soll mich schlecht fühlen, wenn ich im Coop ein Plastiksäckli nehme?

Wir müssen aufhören, mit dem Finger auf Individuen zu zeigen und so den Diskurs zu vernebeln. Wirklich nötig ist eine Kostenwahrheit: Die Firmen und Multimilliardäre, die verdammt noch mal für die Schäden verantwortlich sind, sollen dafür auch zur Kasse gebeten werden.

Und ja, schlussendlich würden wir etwas mehr für den nächsten Flug auf die Malediven zahlen. Stattdessen könnten wir aber auch wieder mal wandern gehen. Die Berggebiete hätten Freude – und die zukünftigen Generationen auch. Vielleicht sehen Sie das ja auch so. Wenn nicht: Belächeln Sie mich wenigstens nicht dafür.

Beim Schreiben dieser Kolumne wurde Noa Dibbasey (21) zweimal von einer Mücke gestochen. Im Januar. In Bern, wo sie Sozialwissenschaften studiert. Das kann doch nicht normal sein.

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