Kolumne «Meine Generation» über die Spotify-Statistik
Mein Musikgenuss basiert auf Ausbeutung

Spotify stellt jedes Jahr für seine Hörer eine individuelle Statistik zusammen. Unsere Kolumnistin mag das gerne – und nervt sich darüber.
Publiziert: 01.12.2023 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.11.2023 um 19:13 Uhr
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Noa DibbaseyKolumnistin

Alle Jahre wieder, Ende November, produziert der Musik-Streamingdienst Spotify für alle Hörerinnen den «Spotify-Wrapped» – dein persönlicher Jahresrückblick. Dieser zeigt, welche Musik und Interpreten man dieses Jahr am meisten gehört hat und weitere Hörgewohnheiten. Eines meiner persönlichen Jahreshighlights.

Und das, obwohl Spotify dabei keinen Hehl daraus macht, dass sie mich und mein Konsumverhalten schamlos tracken. Sie vermarkten mir meine Daten schliesslich farbig fröhlich verpackt zurück und ich nehme sie dankend an, denn im Mittelpunkt stehen ich und die Einzigartigkeit meines exquisiten Musikgeschmacks. 

Doch die Freude währt nur kurz. Es ist ja nicht so, als wäre das bei diesem Unternehmen überraschend. Denn, sorry, aber das Businessmodell von Spotify basiert auf Ausbeutung. Ein Grossteil der Künstler kann sich von den Streaming-Einnahmen gerade Mal einen Zmorge und, wenns gut kommt, noch einen halben Znacht leisten.

Jedes Jahr wertet Spotify die Hörgewohnheiten ihrer Kundinnen und Kunden aus.
Foto: IMAGO/Cover-Images

Dass Spotify mit diesem Jahresrückblick unser Ego liebkost und uns all diese Ungerechtigkeiten vergessen lassen möchte, ist ein schlauer Marketingtrick. Doch er funktioniert nur so halb: Eben weil uns das alles ja bereits bewusst ist!

Das Gefühlspendel meiner Generation schwingt also einmal mehr zwischen den Extremen, zwischen übereifriger Egozentrik und der untragbaren Schwere des Weltschmerzes hin und her. An alles Gute, an alles, was uns konsumtechnisch Freude bereitet, ist etwas Böses gebunden. 

Diese Diskrepanz begleitet meine hyperinformierte Generation nicht nur in der Causa Spotify, sondern in so ziemlich allen Belangen und führt nicht selten zu einem benebelten Lebensgefühl. Denn: Wie lebt man zufrieden im Wissen, dass unsere Freuden auf der Ausbeutung anderer Menschen beruhen? 

Noa Dibbasey (21) studiert an der Universität Bern Sozialwissenschaften. Sie schreibt jeden zweiten Freitag im Blick. 

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