Kolumne «Meine Generation» über Meinungs-Bubbles
In der Blase bläst ein eigener Wind

Am liebsten bleiben Gleichgesinnte unter Gleichgesinnten. Und halten ihre kleine Welt für das Universum. Umso ernüchternder, wenn man merkt, dass andere ganz anders sind.
Publiziert: 04.11.2022 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 12.12.2022 um 14:36 Uhr
Noa Dibbasey

Bubbles, Filterblasen oder, wie meine Mediendozentin immer so schön sagte: Echokammern. Egal, wie man sie nennt: Sie sind gekommen, um zu bleiben. Informationsräume, in denen wir uns je nach sozialer und politischer Einstellung bewegen. Und die sich (und uns) je länger je mehr voneinander abgrenzen.

Wer ist schuld daran? Vor allem wir selbst. Seit Anbeginn der Zeit führt das eigene soziale Verhalten dazu, dass wir uns lieber mit unsereins abgeben. Logisch lese ich viel lieber Nachrichten, die mir zusagen. Spreche lieber mit Menschen, die mir nicht widersprechen. Lasse mich gerne in meinen Vorstellungen bestärken.

So verhalten wir uns auch im Internet. Wo wir uns verstanden fühlen, verbringen wir mehr Zeit. Und das bedeutet: mehr Geld für Internetmogule. Die buttern riesige Mengen an Geld in Wohlfühloasen im Netz, die genau auf uns angepasst sind. Und das machen sie mittels ausgeklügelter Algorithmen – die gab es im Mittelalter noch nicht.

Im Internet trifft man oft auf Meinungen, die der eigenen entsprechen – und vergisst dabei gern, dass es auch andere Ansichten gibt.
Foto: plainpicture/Lubitz + Dorner

Flirten mit dem Rechtsextremen im Supermarkt

Konkret bedeutet das: Wer sich viel im Internet bewegt, läuft Gefahr, plötzlich nur noch durch die eigenen Ränge informiert zu werden. Und was einen umgibt, wird zur eigenen Realität. Davon lesen wir immer wieder. Trotzdem vergisst man das so schnell.

Ein Beispiel: Weil meine Bubble nicht menschenverachtend ist, habe ich angenommen, das gilt für alle Menschen. Ich rechne also nicht damit, beim Anstehen an der Supermarktkasse aus Versehen mit einem Typen aus der «Jungen Tat» zu flirten. Könnte aber passieren! Rechtsextremismus ist auch in der Schweiz wieder ein Ding – das hatte ich in meiner Blase irgendwie nicht mitgeschnitten (oder verdrängt).

Das Gruselige daran ist ja, dass sie nicht mehr mit Glatze und Stahlkappenstiefeln rumrennen, sondern schon fast mit einem Hipster aus einem links-progressiven Bücherladen verwechselt werden könnten. Doch die Ideologie ist eine andere, eine viel extremere. Und daran sind Echokammern mit schuld.

Zurück in die Bubble ist auch kein Weg

Auch der Wahlsieg von Giorgia Melonis faschistischer Partei in unserem Nachbarland Italien war ein Schock für mich und meine Bubble. Mit Mussolini-Vergangenheit, dachte ich, sei eine solche Wahl unvorstellbar. Doch ich lebe offenbar in einer anderen Realität.

Das alles macht Angst. Das alles lässt einen wieder in die eigene Bubble verschwinden. Dort seinen Frust ablassen. Dort, wo die Leute einen noch verstehen. Dabei müssten wir gegen diese Fragmentierung ankämpfen – sie ist gefährlich. Aber wie? Ich bin überfragt. Die Algorithmen gewinnen.

Noa Dibbasey (21) studiert an der Universität Bern Sozialwissenschaften. Sie schreibt jeden zweiten Freitag im Blick.

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