Kolumne «Meine Generation» über Social-Media-Monopole
Whatsapp-Storys sind nur der Anfang

Kolumnistin Noa Dibbasey (22) denkt an ihre ersten Jahre auf Whatsapp zurück – und wie viel sich seither verändert hat.
Publiziert: 06.10.2023 um 00:14 Uhr
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Noa DibbaseyKolumnistin

Ich war elf, als meine Eltern mir mein erstes Handy schenkten. Ein iPhone 4, Occasion, in Silber. Viele besassen bereits eines, und nun, endlich, gehörte ich auch zu den Coolen. Zu denen, die «zum Abmache» nicht aufs Haustelefon anrufen müssen, sondern die chatten können.

Meine erste Amtshandlung bestand darin, mir Whatsapp herunterzuladen. «Das benutzed alli!», wurde mir versichert. Tatsächlich eröffnete sich mir eine neue Welt. Viel zu aktive Gruppenchats, Kettenbriefe, laut denen mir 77 Jahre Pech drohen, weil ich sie nicht an 77 Kontakte weiterleitete und mein liebstes Feature: der Status.

Standardmässig lautete dieser damals: «Hallo! Ich benutze Whatsapp» und konnte abgeändert werden, um das Umfeld über die aktuelle Verfügbarkeit (zum Beispiel «kann nicht telefonieren») zu informieren.

Whatsapp führt immer mehr neue Funktionen ein: zuletzt Whatsapp-Kanäle.
Foto: Whatsapp

Mein erster Status war «Ales easy 😜» (Schreibfehler inklusive) und wurde von Tag zu Tag bunter. Meine Freundinnen und ich brachten uns mittels Status jeweils auf den neuesten Stand unserer Leben («meeega cool gsi hüt!! shoppe im tivoli mit de beste!!») oder versuchten, unserem Schwarm durch die Blume mitzuteilen, dass Interesse besteht. Irgendwann merkten aber auch wir, dass das nicht der eigentliche Sinn des Status war und Whatsapp wirklich einfach eine App zum Chatten ist.

Doch dann passierte etwas Verwunderliches. Whatsapp selbst wollte nicht mehr einfach eine App zum Chatten sein. So begann man, immer mehr Features einzuführen, die herzlich wenig mit Texten zu tun hatten. Ein Beispiel sind die Storys, die nach 24 Stunden wieder verschwinden und vor allem von entfernten Verwandten rege genutzt werden, um Blumenbeete oder lustige Sprüche zu teilen. Neu gibt es Kanäle, die man abonnieren kann. Blick hat beispielsweise einen, aber auch Netflix (mit bereits über 19 Millionen Abos) und FC Barcelona (über 12 Millionen).

Wieso passiert das? Weil Medienunternehmen wie Meta (wozu Facebook, aber auch Whatsapp gehören) oder X (ehemals Twitter) gerade dabei sind, Social-Media-Monopole aufzubauen. Also kämpfen nicht nur deren CEOs im Boxring gegeneinander, sondern die Firmen liefern sich auch ein Rennen, wer als Erstes eine App schafft, die alle wichtigen Features auf einmal beinhaltet. In China existiert eine solche App bereits – sie ist aus dem chinesischen Äquivalent zu Whatsapp namens Wechat entstanden. Heute wird die App für alle digitalen Interaktionen, auch für Zahlungen, genutzt!

Doch Monopole bringen auch Gefahren mit sich: Der Datenschutz ist (noch mehr) gefährdet und die Programmierung der Algorithmen durch eine einzige Instanz kann zu Beeinflussung der Nutzenden führen. Ausserdem könnten Menschen, die die App nicht nutzen wollen, vom sozialen Leben ausgeschlossen werden, wie es in China bereits der Fall ist.

Ich bin kein grosser Fan dieses Unterfangens. Trotzdem bin ich mir ziemlich sicher, dass so etwas auch auf uns zukommen wird. Ich frage mich, wie wir damit umgehen werden. Oder wie ich 2012 in meinen Status geschrieben hätte: «Wer isch ready für e Super-App?!»

Noa Dibbasey (22) studiert an der Universität Bern Sozialwissenschaften. Sie schreibt jeden zweiten Freitag im Blick. 

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