Kolumne von Patrizia Laeri
Vegane Revolution in der Fondue-Nation?

Klimakiller Grill-Saison: 2021 ist auch Grillieren politisch – klimapolitisch. Fleisch und Grillkohle sind Dreckschleudern. Produzenten reagieren mit nachhaltiger Kohle und veganen Brätlingen auf das schlechte Gewissen der Konsumentinnen.
Publiziert: 09.06.2021 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 22.06.2021 um 14:01 Uhr

Vegane Würste, pflanzliche Shrimps-Spiesse, Gemüse mit Fake-Käse. Oder der neuste Marketing-Gag: Hybrid-Fleisch, mit Gemüse gepanschtes Fleisch. Im Visier der Hersteller und Start-ups sind die Teilzeit-Veganer oder Flexitarierinnen. Die Firmen produzieren Fleisch ohne Schweine, Milch ohne Kühe, Eier ohne Hühner, Honig ohne Bienen. Das geht beispielsweise mit Proteinen und Fasern aus Nüssen, Erbsen, Soja, Hafer.

Vegane Start-up-Euphorie

Spätestens seit TV-Sendungen wie «Die Höhle der Löwen» sind auch vegane Eier einem breiteren Publikum bekannt. Das Start-up MyEy präsentierte das pflanzliche Ei. Das ist ein 3-Billionen-Markt. So viele Eier essen, verkochen und verbacken die Menschen jährlich.

Zumindest an der Börse mundet pflanzliches Essen. Angefangen hat es mit dem Hype um die Fleischersatz-Firma Beyond Meat. Neu bringt aber auch Milch Kohle. Soeben hat das schwedische Hafermilch-Start-up Oatly zum Auftakt 13 Milliarden Dollar an der Börse aufgenommen. Prominente wie Leonardo DiCaprio oder Nathalie Portman bringen Anleger auf den Geschmack veganer Aktien.

Patrizia Laeri schreibt über das, was ist – und sein könnte.
Foto: Thomas Buchwalder

Vegan macht reich und schön

Aber auch weniger vermögende Menschen investieren über Crowdfunding in vegane Firmen. In den USA hat die vegane Supermarktkette Vegan Fine 711'000 Dollar direkt bei klimabewegten Investorinnen eingesammelt, und die pflanzliche Essenslieferantin Allplants in Europa gar 4,5 Millionen Euro.

Ein weiterer Trend befeuert die vegane Welle: die Selbstoptimierung. Und mit ihr die Unsterblichkeitsforschung. Diese zeigt, dass sogenannte Super-Ager kaum Fleisch, aber viel Gemüse essen. Das sind Menschen, die besonders alt werden. Die vegane Lebensweise rettet nicht nur das Klima, sondern auch die eigene Gesundheit.

Es scheint, als habe letztlich nicht Tierleid, sondern das Klima und die eigene Gesundheit den Boom für veganes Essen ausgelöst.

Verschläft die Schweiz die vegane Zukunft?

Auch die Schweiz präsentiert der Welt stolz die vegane Revolution im Lande. Die Raclette- und Fondue-Nation verkauft sich als führende vegane Food-Tech-Nation. Es werden Fake-Käse-Start-ups wie New Roots oder Fleischersatz-Start-ups wie Planted gepriesen.

Trotzdem wird man den Verdacht nicht los, die Schweiz verpasse die vegane Zukunft. Oft sind pflanzliche Schweizer Produkte viel teurer als tierische. Tierprodukte sind stark subventioniert. Mit Direktzahlungen, aber auch Marketinggeldern. Während der Absatz von Fleisch- und Milchprodukten mit 36,7 Millionen Franken gefördert wird, gibt es für pflanzliche Ware nur 5 Millionen Franken.

Und während ausländische Lebensmittelproduzenten seit Jahren pflanzliche Varianten anbieten, hat Emmi erst seit letztem Jahr vegane Joghurts und Milch im Sortiment. Auch der Milchpulver-Konzern Nestlé hat noch nicht lange Milch-Klone im Angebot. Ähnlich wie grosse Erdölkonzerne, die sich mit erneuerbaren Energien schwertun. Genauso widerwillig scheint denn auch das Milchland Schweiz auf Pflanzen umzustellen wie Erdölländer auf Solarenergie. #aufbruch

Patrizia Laeri (43) ist Wirtschaftsjournalistin und Beirätin im Institute for Digital Business der HWZ.

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