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Kommentar von SonntagsBlick-Chefredaktor Gieri Cavelty
Biden war ein Mann der Banken – kann er auch Zukunft?

Die Ära Trump war nicht zuletzt eine Folge der Finanzkrise von 2008. Der neue US-Präsident Joe Biden ist mitverantwortlich, dass es damals zum Crash gekommen ist. Ist er tatsächlich der Mann, der für mehr ­sozialen Ausgleich und nachhaltiges Wirtschaften sorgen wird?
Publiziert: 15.11.2020 um 15:17 Uhr
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Aktualisiert: 15.11.2020 um 17:19 Uhr
Sonntagsblick-Chefredaktor Gieri Cavelty.

Keine Frage: Seit der Abwahl von Donald Trump kann man sich eine bessere ­Zukunft ­zumindest vorstellen. Zugleich muss man aber auch ­zurückschauen. Man muss sich die Frage stellen, wie es überhaupt dazu gekommen ist, dass der Hetzer aus New York 2016 zum US-Präsidenten aufsteigen konnte und vier Jahre später mit über 70 Millionen Stimmen beinahe im Amt bestätigt wurde.

Ein sehr plausibler Erklärungs­ansatz lautet: Die Ära Trump war nicht zuletzt eine Folge der Finanzkrise von 2008. Der deutsche Wirtschaftshistoriker Moritz Schularick hat gezeigt, wie schwere Konjunktureinbrüche in der Geschichte stets zu Vertrauenskrisen führten – und dass insbesondere nationalistische Parteien daraus über Jahre Profit zu schlagen vermochten.

Der Crash von 2008 brachte denn nicht nur Trump hervor. 2010 wurde Viktor Orban ungarischer Regierungschef, 2011 erhielt der franzö­sische Front National dreimal mehr Stimmen als bei den vorangegan­genen Wahlen. Die ­Krise führte zur Gründung der AfD in Deutschland und zum Brexit.

In der Schweiz schwang das ­Pendel 2014 weit nach rechts, als eine Mehrheit Ja sagte zur Masseneinwanderungs-Initiative der SVP.

Allerdings war die jüngste ­Finanzkrise kein Naturereignis. Sie war die Folge einer über Jahrzehnte betriebenen Politik der totalen Marktgläubigkeit. In den 1980ern predigte der Republikaner Ronald Reagan Eigenverantwortung und Sozialabbau. Er fing an, die Finanzmärkte zu deregulieren und fand damit Nachahmer in Europa ebenso wie unter späteren US-­Präsidenten.

Es war Bill Clinton, der bei ­seiner Amtseinführung 1993 sagte: «Wir müssen mehr Chancen für alle ­bieten und von allen mehr Verantwortung fordern! Es ist Zeit, mit der schlechten Gewohnheit zu ­brechen, etwas ohne Gegenleistung zu er­warten, von unserer Regierung und voneinander.»

Es war Bill Clinton, der die ­amerikanischen Banken von den letzten verbliebenen Einschrän­kungen befreite, die ihnen nach dem historischen Börsenkrach von 1929 auferlegt worden ­waren.

Und es war Bill Clinton, der mit seiner Gesetzgebung exor­bitante Bonuszahlungen für Manager ermöglichte.

Clintons demokra­tischer Parteifreund Joe Biden hat dem allem nicht ­einfach nur zugestimmt. Senator Biden war ein Mann der Finanz­industrie und Steueropti­mierer. ­36 Jahre lang vertrat er in ­Washington die Inte­ressen von ­Delaware, also jenem Bundesstaat, dessen Steuerrecht derart lasch ist, dass im Vergleich dazu selbst der Kanton Zug wie eine Fiskalwüste wirkt.

Ja, der reich geborene Immo­bilienhai Donald Trump war als ­Vertreter der kleinen Leute ein schlechter Witz. Und ja, was Joe ­Biden im Augenblick verspricht, klingt verheissungsvoll. Aber ist der Politik-Routinier aus Delaware tatsächlich der Mann, der in den USA mit ­Nachdruck für mehr ­sozialen Ausgleich und nachhaltiges Wirtschaften sorgen wird?

Wir dürfen gespannt sein. Und hoffen, dass die Zeit, während der sich Biden auf den Einzug ins Weisse Haus vor­bereitet, nicht schon die beste seiner ganzen Präsidentschaft gewesen sein wird.

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