Kontakte abbrechen – Thomas Meyer rät
«Es gibt eine rote Linie»

Wann ist es gerechtfertigt, von jemandem die Nummer zu blockieren? Ist es nicht grundsätzlich trotzig?
Publiziert: 24.07.2021 um 15:11 Uhr
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Thomas MeyerSchriftsteller und Kolumnist

Wenn man von jemandem die Nummer blockiert oder erwägt, es zu tun, hat man dafür seine Gründe. Dann ist etwas Schwerwiegendes vorgefallen, das hässliche Gefühle hinterlassen hat, und der Wunsch nach Distanz ist nur die logische Folge davon.

Oft genügt es, wenn man dann einfach nichts mehr von sich hören lässt, doch manchmal will man auch selber nichts mehr hören. Gewiss gibt es Situationen, in denen es übertrieben ist, jemanden gleich zu blockieren, aber je nachdem ist es sogar dringend geboten, sämtliche Brücken radikal abzubrechen, weil sonst nur immer neuer Schmerz entsteht. Etwa wenn ein Partner oder Freund, der einen schlecht behandelt hat, einen auch nach der Trennung mit fiesen Vorwürfen eindeckt. Dann ist die Kommunikationsblockade keineswegs trotzig, sondern ein Zeichen von Respekt sich selbst gegenüber. Es gibt eine rote Linie, zumindest sollte es eine geben, und wenn jemand sie überschritten hat, durch Missbrauch in einer seiner unzähligen, meist rein verbalen Formen, muss man diesem Menschen den Zugang verwehren. Dann darf er einem keine Energie mehr rauben, dann darf er einen nicht mehr manipulieren, dann muss man eine Blockade gegen ihn errichten und seine Nummer und seine Mailadresse sperren.

Diese Massnahme sollte aber eine Ultima Ratio sein und kein Alltagsinstrument. Wenn man seine Konflikte grundsätzlich durch Kontaktabbruch löst, bei der geringsten Meinungsverschiedenheit, stimmt etwas nicht. Dies dürfte aber ohnehin nur bei sehr wenigen Menschen ein Thema sein – im Gegensatz zu den zahllosen Übergriffen in Partnerschaften, Freundschaften und Familien, die Grund genug wären, den vielen Alltagstyrannen in unserer nächsten Nähe für immer den Rücken zu kehren. Wir unterlassen es leider oft, weil wir uns nicht trauen, angemessen
zu reagieren.

Thomas Meyer ist Schriftsteller und schreibt jede Woche im SonntagsBlick Magazin.
Foto: Thomas Meier
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