Milena Moser über ein erstes Date mit Katzen
Rendez-vous im Park

Es war einer dieser seltenen echten Sommertage in San Francisco, mit blauem Himmel und gleissender Sonne, mit bimmelnden Glacéwägeli und hoffnungsvollen Begegnungen.
Publiziert: 29.07.2024 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 27.07.2024 um 21:06 Uhr
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Milena MoserSchriftstellerin

Der Dolores Park, die steil abfallende, palmenbewachsene Picknickdecke der Stadt, war morgens um 10 Uhr schon recht gut besetzt. Hunde beschnupperten sich, Jugendliche spielten Frisbee, ein alter Mann zog ein kleines Glacéwägeli den steilen Hügel hinauf, das ständige Bimmeln lockte die Kinder vom Spielplatz, und niemand sagte: «Um diese Zeit gibts doch noch kein Glacé!»

Ich sass unter einer Palme und versuchte zu lesen, doch mein Blick glitt immer wieder von der Seite weg, erfasste die Skyline, die Menschen, das Licht, das mit den Palmwedeln spielte, hoch über meinem Kopf. Es war ein perfekter Tag, und ich konnte mein Glück nicht fassen: hier zu sein, in diesem Moment, an diesem Ort.

Da gesellte sich ein älterer Herr zu mir. Also, nicht direkt zu mir, eher zur Palme. Er stand aufrecht daneben, schaute immer wieder auf sein Handy und dann zur Tramstation hinüber. Ganz offensichtlich wartete er auf jemanden. Während er wartete, nahm er seinen Rucksack ab und stellte ihn mit beruhigenden Lauten auf dem Boden ab. Als er den Reissverschluss aufzog, zeigte sich das vergelsterte Gesicht einer Katze. Er lockte sie aus dem Rucksack heraus und führte sie an der Leine einmal um die Palme herum. Die Katze bedachte mich mit demselben verächtlichen Blick, den mir auch unsere Perserprinzessinnen zu Hause zuwerfen. Das nehme ich schon gar nicht mehr persönlich.

Der Park eignet sich gut für ein erstes Date: locker und ungezwungen, um sich besser kennenzulernen. (Symbolbild)
Foto: Getty Images
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Jetzt kam eine Frau mit wilden, grauen Locken und einem ebensolchen Kleintierrucksack den Hügel herauf. Sie ruderte wild mit den Armen. «Da bist du ja», rief sie. «Ich wusste nicht, dass das Gras noch so feucht sein würde, aber zum Glück bin ich vorbereitet!» Sie breitete mehrere Picknickdecken auf dem Gras aus, das mir absolut trocken erschien, verteilte ein paar leere Einkaufstüten aus Papier darauf und öffnete den Rucksack. Eine zweite, ebenso missgelaunte Katze streckte die Nase heraus. 

«Das ist Jacob.»

«Jacob, das ist Daisy!»

Jetzt hielt ich mir das Buch nur noch zum Schein vor die Nase, zur Tarnung. Die Geschichte, die ich lesen wollte, konnte mit der Realität nicht mithalten. Jacob und Daisy würdigten einander keines Blickes. Daisy drehte sich in ihrem Rucksack um, sodass nur noch ihr Rücken zu sehen war, während Jacob steifbeinig zu einer der Einkaufstüten stakste, um sich in ihr zu verkriechen.

Ihre Besitzer hingegen begannen ein angeregtes Gespräch. Auch wenn dies offensichtlich ihr erstes Date «in real life» war, mussten sie sich bereits intensiv ausgetauscht haben. Die Frau erzählte von ihrem Grossvater, der vor fast 100 Jahren aus Österreich ausgewandert war, und von seinen Briefen, die sie gefunden hatte. Der Mann packte etwas aus, das wie ein Apfelstrudel aussah. Ich musste mich zusammennehmen, um ihm nicht ein Zeichen mit hochgehobenen Daumen zu geben. Und dann beschloss ich, mich diskret zu verziehen. Während Jacob und Daisy sich weiterhin gegenseitig ignorierten, rutschten die Menschen auf der Picknickdecke näher zusammen. Wie mutig sie waren, dachte ich. Zum ersten Date gleich ihre Katzen mitzubringen. 

Später erinnerte mich Victor daran, dass er bei unseren frühen gemeinsamen Mittagessen immer einen Stuhl für seine Katze, die unterdessen verstorbene Chocolate, herbeigezogen hatte. Damit sie mich begutachten und mir ihren Segen geben konnte. 

Ein Glück, dass sie mir wohlgesinnter war als die Prinzessinnen.

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