Professor Mesot erklärt
So schaffen wir ein besseres Internet

Joël Mesot ist Präsident der ETH. Der erste Romand in diesem Amt seit über 100 Jahren. In dieser Kolumne widmet er sich dem Thema Cybersecurity.
Publiziert: 06.10.2021 um 08:27 Uhr
Joël Mesot

Wetten, dass ich Sie mit nur einem Wort langweilen kann? Vermutlich blättern Sie um oder klicken weg – wer weiss, vielleicht schlafen Sie sogar augenblicklich ein! Also, versuchen wir’s? Gut … (dramatische Pause): Sicherheit.

Sie sind noch da? Oh. Sicherheit ist ein Thema, mit dem wir uns im Allgemeinen gar nicht oder zumindest nicht gerne befassen. Wer hat denn schon Zeit (geschweige denn Lust!), sich Gedanken über schlechte Dinge zu machen, die möglicherweise passieren könnten? Die meisten von uns haben zum Beispiel nur eine vage Vorstellung, wie die Bremsen ihres Autos genau funktionieren, wie ihre Zahnpasta sie vor Karies schützt oder wie eine Viererabwehrkette mit Raumdeckung Tore verhindert. Und bei der Online-Sicherheit setzen viele von uns auf Gratis-Software und gut Glück.

Dass Sicherheit im Netz immer wichtiger wird, zeigen die Fälle der Uni Liechtenstein oder der Waadtländer Gemeinde Rolle. Beide wurden kürzlich von Hackern attackiert. Die angerichteten Schäden sind beträchtlich. Die allermeisten Fälle aber werden gar nicht erst publik, weil es den Betroffenen so peinlich ist. Sicher ist: Die IT-Systeme, auf die wir alle angewiesen sind, werden immer öfter aus dem Cyberspace attackiert.

Joël Mesot schreibt über Cybersecurity – und wie ein Projekt der ETH für mehr Sicherheit im Web sorgen könnte.
Foto: Getty Images for Kaspersky Lab

Das Problem: Unser heutiges Internet hat Schwachstellen und Sicherheitslücken. Manche Netzbestandteile wurden nämlich mehr improvisiert als entwickelt. So zum Beispiel das «Zwei-Servietten-Protokoll». Dieses heisst so, weil es von zwei Programmierern in der Mittagspause auf ihren Servietten ausgetüftelt wurde. Dass solche Lösungen sicherheitstechnisch nicht perfekt sind, wird Sie kaum überraschen. Schicken Sie heute beispielsweise ein E-Mail an eine Freundin, dann reisen die Datenpakete auf verschlungenen Pfaden. Oft gehen sie dabei auch über Server im Ausland – ein Umstand, den sich Geheimdienste, aber auch Kriminelle zunutze machen.

Bei der Cybersicherheit gibt es also viel zu tun! Die ETH Zürich und die EPFL Lausanne haben deshalb in den letzten Jahren den Bereich Informationssicherheit aus- und einen Master-Studiengang in Cybersecurity aufgebaut. ETH-Leute haben zudem etliche Spin-offs im Online-Sicherheitsbereich gegründet. Eines, das ich besonders spannend finde, dreht sich um SCION.

SCION ist eine neue Internet-Architektur, die weniger Strom frisst, schneller und sicherer ist als das heutige Netz. Mit SCION wissen Sie, welchen Weg Ihre Daten nehmen. Und Sie können steuern, wie die Daten reisen. Hinter der Technologie stecken mehr als zehn Jahre Forschung. In die Praxis umgesetzt wird sie nun vom Spin-off Anapaya Systems – und zwar mit prominenten Partnern! Zusammen mit der Schweizerischen Nationalbank, der SIX-Group sowie den Netzbetreibern Swisscom, Sunrise und SWITCH baut Anapaya das «Secure Swiss Finance Network» auf. Dieses verwendet die SCION-Technologie und könnte zu einem wichtigen Trumpf für den Schweizer Finanzplatz werden. Denn Sicherheit und Vertrauen sind hier besonders gefragt.

Es ist aber auch gut möglich, dass SCION eines Tages für uns alle der neue Standard wird. Das Internet würde damit bedeutend sicherer. Und Sie und ich könnten uns endlich mit Zahnpasta, Autobremsen und Liberos beschäftigen.

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