Sie fragen, EPFL-Chef Martin Vetterli antwortet
Welche neuen Technologien werden uns in Zukunft für die Energiegewinnung zur Verfügung stehen?

Joël Mesot, Martin Vetterli und Michael Hengartner sind so etwas wie die obersten Wissenschaftler der Schweiz. In ihrer Rubrik stellen sie sich den Fragen der Leserinnen und Leser rund um die Wissenschaft.
Publiziert: 02.11.2022 um 09:00 Uhr
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Aktualisiert: 02.11.2022 um 08:16 Uhr
Martin Vetterli

Welche neuen Technologien werden uns in Zukunft für die Energiegewinnung zur Verfügung stehen?


Martin Vetterli: Gerade in diesen unsicheren Zeiten, in denen der Klimawandel wütet und Kriege die Energieversorgung beeinträchtigen, ist die Frage, woher neue Technologien zur Energiegewinnung kommen werden, von grosser Bedeutung.

Nach den Grundsätzen der Thermodynamik muss die Energie ja irgendwoher kommen, denn keine Energie kann neu erzeugt werden, nur umgewandelt. Ziemlich oft wird sie heute aus Erdöl gewonnen. Es gibt jedoch immer mehr alternative Technologien wie Wind-, Wellen- oder Sonnenenergie, aber auch Biomasse oder geothermische Energie.

Erdöl ist die Grundlage für viele Kunststoffe, Parfüms und andere Biokraftstoffe. Aktuell suchen Forschende einen Weg, den Bedarf an Erdöl zu senken.
Foto: imago

An Schweizer Universitäten werden all diese Energiequellen erforscht und markttauglich gemacht. Als Präsident einer Hochschule kann ich eine gute Übersicht unserer Ansätze bieten, von der Grundlagenforschung bis hin zu angewandter Innovation. Fangen wir mit Grundlagenforschung an.

Nicht alle wissen wohl, dass die Grundeinheit hinter fast allen kostengünstigen Solarzellen die sogenannte Grätzel-Zelle ist. Es handelt sich dabei um eine äusserst dünne und halbleiterbasierte Zelle, die mittlerweile überall auf der Welt auf dem Markt ist. Doch die Erfindung war einmal pure Grundlagenforschung und geht nun bereits auf das Jahr 1988 zurück, als Professor Michael Grätzel und seine Kollegen diese Idee erstmals vorschlugen.

Michael Grätzel kam übrigens kurz danach in die Schweiz, an die EPFL, wo er immer noch an der Optimierung dieser Zellen arbeitet. Er ist einer der meistzitierten Wissenschaftler der Welt und hat bereits viele wichtige Preise erhalten.

Doch dies ist nur ein Beispiel für Grundlagenforschung. Ein aktuelleres besteht darin, den Bedarf an Erdöl zu senken, indem man es von anderen Verwendungszwecken befreit. Erdöl ist nämlich auch die Grundlage für viele Kunststoffe, Parfüms und andere Biokraftstoffe. Genau daran forscht der junge Professor Jeremy Luterbacher an der EPFL. Und vor kurzem hat er in der Tat einen Weg gefunden, um Pflanzen in Kunststoffe umzuwandeln und damit eine echte Alternative zu Erdöl zu schaffen.

Die Arbeit von Jeremy Luterbacher ist grundlegend und angewandt gleichzeitig. Er hat nämlich bereits ein Start-up namens Bloom Biorenewables gegründet, das kürzlich vom Bill-Gates-Konsortium Breakthrough Energy Ventures finanziert wurde. Sein visionäres Start-up war eines der wenigen, die in Europa von diesem Fonds Geld erhielten.

Andere Start-ups an der EPFL versuchen hingegen, den Energieverbrauch zu reduzieren, statt neue Quellen anzuzapfen. Kandou Bus ist dafür ein gutes Beispiel. Das Unternehmen entwickelt IT-Komponenten, die die Geschwindigkeit der Kommunikation zwischen elektronischen Geräten verbessern und so den Energieverbrauch auf ein Minimum reduzieren.

Die Forschenden der EPFL und an vielen Universitäten der Welt arbeiten also mit Hochdruck daran, neue Möglichkeiten für alternative Energiequellen zu untersuchen. Aber auch an Methoden, um eine effiziente Umwandlung und Speicherung zu garantieren. Welche dieser Energien in Zukunft jedoch am wichtigsten sein wird, das ist auch eine politische Frage und eine Entscheidung der Gesellschaft.

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