Thomas Meyer rät, gegen ein übersteigertes Pflichtbewusstsein zu kämpfen
Lernen Sie, Nein zu sagen

Ich (w, 37) finde zwischen Job, Kind und Haushalt nie Zeit für mich und bin immer leicht gereizt.
Publiziert: 13.02.2021 um 14:58 Uhr
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Aktualisiert: 22.04.2021 um 09:44 Uhr
Thomas Meyer

Die bildliche Formulierung «finden» ist hier durchaus passend: Ihr persönlicher Raum ist durch Ihre Arbeit und Ihre Familie vollständig ausgefüllt, und Sie können nirgendwo eine Lücke erkennen, in die Sie hineinpassen. Es ist verständlich, dass Sie genervt sind, wenn von früh bis spät ständig jemand etwas von Ihnen fordert. Das Problem ergibt sich aber nicht aus Ihrer Umwelt, sondern daraus, dass Sie dieser keine Grenzen setzen. Anders gesagt: Zeit für sich findet man nicht – man muss sie sich nehmen. Prüfen Sie Ihre Arbeit: Leisten Sie da mehr, als Sie müssten? Sind Sie ausserhalb der Bürozeiten erreichbar? Lassen Sie sich für Aufgaben einspannen, die andere subtil an Sie delegieren?

Prüfen Sie Ihre Mutterrolle: Haben Sie ein schlechtes Gewissen, wenn Sie Ihrem Kind einen Wunsch ausschlagen? Lassen Sie sich permanent von ihm unterbrechen? Prüfen Sie auch Ihre Beziehung und Ihren Haushalt: Liegen auch da Verantwortungen bei Ihnen, die geteilt werden müssten? Putzen Sie mehr als nötig? Muss es bei Ihnen immer perfekt aussehen? Machen Sie einen Komplett-Scan Ihres Lebens und fragen Sie sich, wo Sie sich anders, klarer, stärker verhalten könnten – und zweitens, warum Sie es nicht tun.

Vermutlich leiden Sie an einem übersteigerten Pflichtgefühl und haben nie gelernt, richtig Nein zu sagen. Hier wäre der Beizug einer therapeutischen Fachperson sehr hilfreich. Und schliesslich müssen Sie unbedingt feste Zeiten festlegen, die Ihnen allein gehören. Morgens eine halbe Stunde, abends eine halbe Stunde, am Samstagmorgen zwei. Erklären Sie Ihrer Familie, dass diese Zeit allein Ihnen gehört und man Sie in Ruhe lassen muss. Organisieren Sie die Haushaltsführung mit Ihrem Partner neu (falls sie überhaupt je organisiert wurde). Seien Sie nett zu sich und schalten Sie Ihr Handy aus.

Foto: Thomas Meier
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