Zoologisch – Direktor Severin Dressen erklärt
Chefinnen im Tierreich

Severin Dressen (32) ist Direktor des Zoo Zürich und kennt die wilden Geheimnisse seiner Bewohner.
Publiziert: 03.02.2021 um 16:13 Uhr
|
Aktualisiert: 07.05.2021 um 16:19 Uhr
Severin Dressen

Die Einführung des Schweizer Frauenstimmrechts feiert 2021 ihren 50. Geburtstag. Die Gleichberechtigung der Geschlechter wird bei uns Menschen immer noch heiss diskutiert. Nicht so im Tierreich. Gleichberechtigung gibt es dort selten. Dafür aber klare Zuordnungen. Bei unseren nächsten Verwandten, den Menschenaffen, gibt es Chefinnen, Chefs und solche, die lieber alleine bleiben. Gorillas und Schimpansen werden von Männchen geführt. Bei den Bonobos sind die Weibchen die Chefs. Und bei den Orang-Utans gehen sich Mann und Frau normalerweise aus dem Weg.

Allgemein kann man sagen, dass bei vielen Tierarten, die in Gruppen leben, die Männchen den Ton angeben. Doch es gibt auch Gegenbeispiele. Und zwar häufiger, als man denkt. Hier haben die Weibchen das Sagen und führen ganze Staaten. Zwei faszinierende Beispiele dafür können Sie bei uns im Zoo in der Lewa Savanne beobachten – unsere Nacktmulle und unsere Tüpfelhyänen.

Bei den Nacktmullen kann es nur ein Tier an der Spitze der Kolonie geben – die Nacktmullkönigin. Sie dominiert ihren gesamten Staat von bis zu 300 Nacktmullen. Sie darf als Einzige Kinder haben. Und dafür sucht sie sich auch nur ganz wenige Männchen aus. Alle anderen Untertanen schaffen ihr Leben lang als Arbeiter, Soldaten oder Babysitter. Das Geschlecht spielt hierbei keine Rolle. Beide, Männchen und Weibchen, machen alle Jobs. Gefährlich können der Königin nur ihre Töchter werden. Wenn eine Tochter Kinder kriegt, baut sie ihre eigene Kolonie auf und wird so zur Konkurrenz. Damit das nicht passiert, ist die Königin sehr aggressiv – besonders gegenüber ihren Töchtern. Der Dauerstress sorgt dafür, dass die Töchter nicht geschlechtsreif werden. So bleibt die Königin unangefochten an der Spitze. Ein echte Einzelkämpferin.

Nacktmullkolonien werden immer von einer Königin angeführt.
Foto: Marco Schaffner/Zoo Zürich
1/4

Ganz anders sieht es bei den Tüpfelhyänen aus. Auch hier sind die Frauen die Chefs. Auch hier finden sich Hunderte Hyänen in Gruppen zusammen, sogenannten Clans. Doch nicht die grösste, stärkste und aggressivste Hyäne ist die Chefin. Der Schlüssel zum Erfolg ist die Unterstützung, die die Chefin von den anderen Weibchen erhält. Und hier ist Blut dicker als Wasser. Hyänen unterstützen ihre engen Verwandten deutlich mehr als unbekannte Weibchen. Dadurch sind Hyänen mit einer grossen Verwandtschaft und besonders vielen Kindern im Vorteil. Diese Weibchen sind die Chefs im Clan. Anders als bei den Nacktmullen muss die Hyänenchefin dabei keine Angst vor ihren Töchtern haben. Im Gegenteil. Die Töchter der Chefin stehen automatisch im Clan an höherer Stelle. Das bringt ihnen und ihrer Mutter Vorteile. Echte Teamarbeit also.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?