Zoologisch – Direktor Severin Dressen erklärt
Neue Bäume bereichern den Lebensraum der Koalas

Severin Dressen (34) ist Direktor des Zoos Zürich und erklärt, wie wichtig ein vielfältiges und möglichst naturnahes Angebot an Bäumen für die Koalas ist.
Publiziert: 24.09.2022 um 18:09 Uhr
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Severin DressenDirektor des Zoo Zürich

«Was man schon immer so gemacht hat», ist nicht grundsätzlich schlecht. Häufig sogar richtig gut. Nehmen wir das Familienrezept für Guetzli, das seit vier Generationen unverändert in meiner Familie genutzt wird: Auch wenn es mit grossen Mengen Butter, Eiern und vor allem Zucker sicher nicht in den ernährungstechnischen Zeitgeist passt, ist eine Änderung der Rezeptur ausgeschlossen. Ausgeschlossen!

Manchmal tut man allerdings auch gut daran, das «Was man schon immer so gemacht hat» zu hinterfragen. Vielleicht geht es besser? Ein gutes Beispiel dafür ist unsere Koala-Haltung im Australienhaus.

Seit Jahrzehnten leben Koalas in Zoos nach dem gleichen Muster: Die Tiere werden auf Totholzbäumen, also gefällten Bäumen, gehalten. Auf diesen sitzen die Tiere gerne in den Astgabeln, genau so wie sie es in Australien in den lebenden Eukalyptusbäumen tun – und schlafen bis zu 20 Stunden am Tag. In Australien wird der Baum nur gewechselt, wenn das Futter knapp oder ungeniessbar ist oder wenn ein attraktiver Koala des anderen Geschlechts im Baum gegenübersitzt.

Die Koalas im Zoo Zürich haben seit zwei Wochen eine grosse Auswahl an Bäumen zur Verfügung.
Foto: Zoo Zürich/Maria Schmid
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Die bisherige Praxis bot zudem eine gut einsehbare Haltung, welche die Überwachung dieser heiklen Pfleglinge ermöglicht. Gewichtskontrollen, die Kot-Menge oder Menge gefressener Blätter liessen sich in der traditionellen Koala-Haltung gut kontrollieren. Daher bestand für uns im Zoo Zürich kein Anlass, das Konzept zu ändern, als wir vor einigen Jahren zum Schutz dieser bedrohten Tierart mit der Koala-Haltung begannen.

Allerdings stellten wir unseren Koalas von Anfang an Aussenanlagen zur Verfügung, auf welchen sie Totholzbäume sowie lebende Bäume zur Auswahl hatten. Wann immer unsere Koalas auf den Aussenanlagen waren, sassen sie zwar auch auf den toten Bäumen, bevorzugten aber klar die lebenden. So entschlossen wir uns, einen solchen Baum-Mix auch in der Innenanlage zur Verfügung zu stellen. Was die Koalas im Sommer draussen mochten, sollen sie das ganze Jahr über drinnen ebenfalls haben.

In den letzten Monaten wurden daher in der Innenanlage 1200 Pflanzen eingesetzt, darunter viele Bäume – auch Eukalyptusbäume. Aus der normalen Koala-Innenanlage wurde ein australischer Wald. Bei der Auswahl der Eukalyptusbäume haben wir versucht, darauf zu achten, möglichst solche Arten zu wählen, die von den Koalas nicht gerne gefressen werden. Da die Geschmäcker aber von Koala zu Koala variieren, kann es trotzdem passieren, dass unsere Bäume nach und nach abgefressen werden. Sollte dies der Fall sein, gibt es bei dem Landschaftsgärtner, welcher uns den Futtereukalyptus zur Verfügung stellt, die Möglichkeit, stark abgenagte Bäume in Kur zu schicken, bis diese sich wieder erholt haben.

Seit knapp zwei Wochen sind unsere Koalas in ihrem neuen Wald heimisch und geniessen es ganz offensichtlich, nun auch innen die Wahl zwischen verschiedenen Baumtypen zu haben. Der Zoo Zürich hat einen nächsten Schritt in der Tierhaltung, in der Gestaltung von naturnahen Lebensräumen gewagt – ganz ähnlich wie in den 90ern mit der Bärenanlage und bereits vor 20 Jahren mit dem Bau des Masoala-Regenwaldes. Mit dieser Haltungsform einher gehen ein gewisser Verlust von Kontrolle und, wie immer wenn man etwas Neues probiert, ein gewisses Risiko. Wir sind aber sehr zuversichtlich, dass sich unser Konzept bewährt. Auch als Gast spürt man eine Veränderung. Man muss jetzt ein wenig besser hinschauen, bis man einen Koala entdeckt. Wenn man Maisy, Uki und Tarni aber sieht, ist die Freude gross, versprochen!

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