Zoologisch – Direktor Severin Dressen erklärt
Tierische Wohngemeinschaften wie in der Natur

Severin Dressen (33) ist Direktor des Zoos Zürich und kennt die wilden Geheimnisse seiner Bewohner.
Publiziert: 22.06.2022 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 18.06.2022 um 15:27 Uhr
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Severin DressenDirektor des Zoo Zürich

Steinböcke mit Blutbrustpavianen, Emus und Kängurus, Tapire mit Ameisenbären und Capybaras … Die Liste der Vergesellschaftungen von Tierarten im Zoo Zürich ist lang. Auf immer mehr unserer Anlagen leben mehrere Arten zusammen – ganz häufig so wie in ihrem ursprünglichen Lebensraum.

Eindrücklichstes Beispiel ist die Lewa-Savanne, die Nashörner, Zebras, Giraffen, Strausse und Antilopen gemeinsam bewohnen, so, wie sie dies auch in Kenia tun. Vergesellschaftung bedeutet, dass sich die verschiedenen Tierarten miteinander arrangieren müssen. Daher ist eine Vergesellschaftung auch immer eine Anreicherung für das Verhalten der Tiere. Sie müssen untereinander ausmachen, wer zuerst ans Futter kommt, wer auf den schönsten Ruheplätzen liegt, sich im Sand suhlen oder im Schatten dösen darf. Das Miteinander braucht Zeit und Energie.

Genauso wie bei uns Menschen. Manchmal gibt es Stress, es wird gerangelt und gekämpft. Dabei ist diese Art von Stress nichts Schlimmes. Wir kennen es von uns Menschen: Wenn ich während eines Wettkampfs punktgenau abliefern muss, wenn ich vor vielen Menschen einen Vortrag halte oder ich (bei mir in ferner Vergangenheit) ein erstes Date mit jemandem habe, löst das alles Anspannung aus. Stress! Der aber häufig in Erfolgen mündet und das Leben erst richtig abwechslungsreich macht.

Im Zoo Zürich leben die Steinböcke in einer tierischen Wohngemeinschaft mit Blutbrustpavianen.
Foto: Enzo Franchini
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Auch das Essen schmeckt gut, wenn man vorher längere Zeit Hunger hatte. Auch das ist in gewisser Weise Stress. Solange der Umstand, der den Stress auslöst, nicht dauerhaft, also chronisch, vorhanden ist, ist das kein Problem. Ab und zu hungrig zu sein, tut uns meistens gut – tagelang zu hungern, ist hingegen eher schlecht.

Eine der spannendsten und ältesten Vergesellschaftung bei uns im Zoo findet man im Sangay-Bergnebelwald, wo Brillenbären und Nasenbären (Letztere sind keine echten Bären) miteinander vergesellschaftet werden. Die kleineren und deutlich flinkeren Nasenbären schaffen es immer wieder, sich die leckersten Futterstücke zu erbeuten, und klettern dann hoch hinaus in die Spitzen der Bäume – weit weg von unseren Bären. Verhungern tun sie trotzdem nicht. Dafür sorgen unsere Tierpflegerinnen und Tierpfleger.

Besonders naturnahe Umstände erfahren unsere Bewohner im Masoala-Regenwald. Hier sind viele unterschiedliche Tierarten vergesellschaftet, die einen sehr komplexen Lebensraum bewohnen. In diesem Ausschnitt aus einem Regenwald gibt es auch Tiere, die sich gegenseitig fressen. So erbeutet unser Hammerkopf, eine Vogelart, immer wieder Entenküken. Allerdings ist unser Masoala-Regenwald so gross und strukturiert, dass der Jäger nie alle Küken erwischt, sondern noch viele von ihnen aufwachsen und gross werden. Ganz so wie in der Natur.

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