Zoologisch – Zoodirektor Severin Dressen erklärt
Totgesagte leben länger

In Zoos leben zahlreiche Tierarten, die in der Natur vom Aussterben bedroht sind. Ein Zuchtprogramm soll dafür sorgen, dass es gesunde Tierpopulationen in Gefangenschaft gibt, die man bei Bedarf wieder auswildern kann. Zoodirektor Severin Dressen über die Arterhaltung.
Publiziert: 10.09.2023 um 13:00 Uhr
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Aktualisiert: 09.09.2023 um 17:37 Uhr
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Severin DressenDirektor des Zoo Zürich

Was haben die Rotschwanzamazone, das Impala, die Galapagos-Riesenschildkröte und die Arabische Oryx gemeinsam? Sie alle sind Tierarten, die vom Zoo Zürich in einem sogenannten EAZA Ex-situ Programm (EEP) gemanagt werden. Doch was heisst das genau? Der Europäische Dachverband für Zoos und Aquarien (EAZA) führt für viele, oft bedrohte Tierarten ein EEP. Dieses Zuchtprogramm umfasst alle Tiere dieser Art und wird durch eine Koordinatorin oder einen Koordinator geführt.

Bei der Arabischen Oryx, einer Antilopenart, ist dies unsere Kuratorin Franziska Dreier. Sie ist somit für alle Oryx in den Mitgliederzoos verantwortlich. Die Tiere leben in Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, Slowakei, Spanien und Tschechien. Aber auch in Israel, den Vereinigten Arabischen Emiraten und eben in der Schweiz («Europa» wird innerhalb der EAZA ähnlich strikt definiert wie zum Beispiel bei der Europameisterschaft der Uefa). Unsere Kuratorin kennt also alle Individuen und Teilpopulationen und weiss, wie sie miteinander verwandt sind.

Eines der wichtigsten Ziele eines EEP ist die Erhaltung einer gesunden Population. Das hat zum einen den Sinn, dass wir auf diese Weise in Europa eine selbsterhaltende Population der Oryx für die Bildungs- und Forschungsarbeit der Zoos haben und keine Tiere der Natur entnehmen müssen. Bei den bedrohten Tierarten, die ein EEP haben (und das sind die meisten), kommt zudem noch die Idee einer Reservepopulation hinzu.

Arabische Oryx im Zoo Zürich.
Foto: Enzo Franchini
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Ist eine Tierart in der Natur bedroht oder sogar ausgestorben, kann die Reservepopulation in Zoos dazu dienen, Tiere wieder auszuwildern. Und genau das war bei den Oryx auch bitter nötig: 1960 wurde der Bestand auf noch rund 200 Tiere geschätzt. 1972 wurde das letzte Tier im Oman gewildert. Zwei Jahre vorher starteten die US-amerikanischen Zoos von Phoenix und Los Angeles ein Zuchtprogramm. Dabei standen nur neun Tiere zur Verfügung. Die Zucht war jedoch erfolgreich, und so konnten 1979 einzelne Tiere nach Europa gebracht werden. Der Tierpark Berlin-Friedrichsfelde (damals in der DDR), der Zoo Antwerpen und der Zoo Zürich waren die ersten, die Arabische Oryx aus den USA bekommen haben. Der Zoo Zürich erhielt insgesamt sechs Tiere, die die Basis einer erfolgreichen Zucht bildeten. Ab 1982 konnten erste in Zoos geborene Tiere ausgewildert werden. Im Zoo Zürich gezüchtete Arabische Oryx gelangten nach Jordanien und 1993 nach Saudi-Arabien. Heutzutage wird der Bestand auf über 8000 Tiere geschätzt.

Damit solche Erfolgsgeschichten funktionieren, müssen im EEP alle Zoos an einem Strang ziehen. Ein wichtiger Aspekt ist dabei, dass einzelne Zoos ihre Tiere nicht besitzen, sondern der Zuchtbuchkoordinator oder die Zuchtbuchkoordinatorin entscheidet, welches Tier in welchem Zoo lebt. Geld fliesst zwischen den Zoos keines! Die Tiere werden nur mit dem einen Ziel getauscht: der Arterhaltung zu dienen.

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