Zu viel Gerede beim ersten Date – Thomas Meyer rät
«Männer sind brutal eingeschüchtert»

Romantische Atmosphäre, gemeinsam essen, sich näher kennenlernen – eigentlich eine freudige Sache. Doch warum reden Männer beim ersten Date so unglaublich viel?
Publiziert: 24.05.2021 um 14:45 Uhr
Thomas Meyer

Weil sie so unglaublich unsicher sind. Sie würden es nie zugeben, aber Männer sind brutal eingeschüchtert, wenn eine Frau ihnen gefällt. Sie sind geradezu überwältigt; nicht nur von ihrem Äusseren, sondern auch von ihrem Wesen – vor allem aber von der Intimität, die nun einmal droht, kaum begibt man sich in die Nähe einer Frau. Frauen stehen für Intimität und Verletzlichkeit, sie verkörpern sie auf jeder Ebene, was Männern tendenziell etwas unangenehm ist, da diese Qualitäten dem Bild, das sie von sich selbst haben, diametral entgegenlaufen.

Ein Mann, finden Männer, ist stark. Er ist mutig. Er ist bestimmt. Er ist selbstsicher. Und nun kommt da diese zarte Kreatur, setzt sich an den Tisch, guckt ihm ein Mal in die Augen, und die ganze Herrlichkeit ist dahin. Eine halbe Sekunde hat gereicht, und er ist wieder ein kleiner Junge, der gerade mal gelernt hat, geradeaus zu pinkeln. Was nun? Sich eingestehen, dass man total verlegen ist? Womöglich noch mit der Verursacherin darüber reden? Das hätte die wohl gern! Niemals! Also holt er zum Gegenschlag aus und feuert Berichte über seine zahlreichen Siege ab. Nicht nur, um der Frau zu versichern, was für einen tollen Hecht sie sich da angeln könnte – sondern sich selbst. Er glaubt es ja selbst nicht mehr. Und dass es der Frau, die ihn mittlerweile mit einer vernichtenden Mischung aus Amüsement und Mitleid studiert, von Anfang an egal war, weil sie keinen Kriegshelden sucht, sondern einen Partner, weiss er nicht.

Gut, sie sagt es ihm auch nicht, dafür empfindet sie zu viel Mitleid und auch zu viel Amüsement. Vielleicht unterbrechen Sie Ihr Date einfach beim nächsten Mal? Sagen Sie ihm, dass sie gern anderes von ihm erfahren möchten. Er wird es Ihnen danken. Der ganze einseitige Penisvergleich langweilt nämlich auch ihn masslos.

Thomas Meyer ist Schriftsteller und nimmt Stellung zu Lebensfragen.
Foto: Thomas Meier
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?