Kommentar zu Missständen in der Polizei
Mit dieser Kultur verspielt man Vertrauen

In vielen Polizeien ist blinder Gehorsam noch immer wichtiger als Mitsprache. Polizisten, die das ansprechen, müssen mit Konsequenzen rechnen. Das muss sich ändern, findet SonntagsBlick-Reporterin Lisa Aeschlimann.
Publiziert: 02.04.2023 um 11:51 Uhr
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Lisa AeschlimannReporterin & Blattmacherin

Vorgesetzte kritisiert man nicht. Befehle befolgt man, ausnahmslos. Loyalität kommt vor Kompetenz. Wer es wagt, diese Gebote bei der Stadtpolizei Bülach zu hinterfragen, wird – man kanns nicht anders sagen – kaputtgemacht. Die Folgen: Probleme werden nicht mehr angesprochen, geschweige denn angegangen. Wie soll sich eine Polizei so weiterentwickeln? Wie soll sie Vertrauen zur Bevölkerung aufbauen können?

Dass Bülach kein Einzellfall ist, zeigt die Stadtpolizei Winterthur. Dort stellte nach zwei Suiziden ein Untersuchungsbericht gravierende Führungsmängel fest. Die Vorwürfe ähneln sich.

Schweizer Polizeikorps sind meilenweit entfernt von einer modernen Fehler- und Führungskultur. Das Defizit sticht umso mehr heraus, da in den letzten Jahren viele Behörden und Institutionen Missbrauchsfälle vertieft untersucht, Meldestellen aufgebaut und eine modernere Unternehmenskultur etabliert haben.

Der Chef der Stadtpolizei Bülach soll mit seinem Führungsstil ein Klima der Angst geschaffen haben – kein Einzellfall.
Foto: Illustration: Igor Kravarik
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Bei der Polizei geschah nichts dergleichen. Es existiert nicht einmal eine unabhängige Meldestelle, die mit Polizeistrukturen vertraut ist und Vertraulichkeit gewährleistet. Das muss sich ändern. Nicht nur, damit Polizeiangehörige Missstände ansprechen können, sondern auch, damit sie Unterstützung erfahren, wenn sie merken, dass die Bilder eines belastenden Einsatzes nicht mehr verschwinden.

Denn Polizistinnen und Polizisten, die sich von Vorgesetzten gestützt fühlen und denen es psychisch gut geht, würden auch ihre Arbeit besser machen können. Davon profitierten wir alle.

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