Facebook und Google
Wissen ist Macht

Whistleblowerin Frances Haugen hat gezeigt: Die Macht, die Social-Media-Plattformen wie Facebook auf uns ausüben, ist zerstörerisch. Zeit, dass die Politik etwas tut.
Publiziert: 24.10.2021 um 10:54 Uhr
Silvia Tschui

Facebook und Google sammeln alles, was wir online tun, um diese Daten gewinnbringend zu verkaufen. Dafür wenden die Tech-Giganten jeden psychologischen Trick an, um uns möglichst süchtig zu machen. Möglich ist dies dank Algorithmen, die erfassen, was uns interessiert, und uns immer mehr des Gleichen oder sogar krassere Inhalte als die ursprünglich gesuchten vorschlagen. Mädchen, die auf Facebooks Tochterplattform Instagram nach gesunden Rezepten suchen, landen somit schnell auf Pro-Magersucht-Seiten. Menschen, die Angst vor Spritzen haben, sind bald auf Impfgegner-Seiten gelandet. Wir alle bekommen unterschiedliche, von einem Algorithmus bestimmte möglichst radikale Informationen, damit wir möglichst lange auf Seiten wie Facebook, Instagram oder Snapchat verweilen.

So radikalisiert sich eine ganze Gesellschaft, weil jeder nur noch die Informationen erhält, die in sein Weltbild passen. Im Fall von Facebook ist dies dem Inhaber Mark Zuckerberg nach den Enthüllungen der Whistleblowerin Frances Haugen bewusst und offensichtlich egal – Gewinn über alles. Zuckerberg möchte das Image von Facebook jetzt mit einer Namensänderung aufpolieren und hat ansonsten andere Ideen, als die strukturellen Probleme zu lösen: Er will vielmehr ein virtuelles Universum, das Metaverse schaffen, in dem wir uns zukünftig als digitale Versionen unserer selbst tummeln sollen. Lösungen zur Facebook-Misere schlägt er jedenfalls keine vor.

Algorithmen können aber noch viel mehr, als uns gesellschaftlich zu spalten oder in die Magersucht zu treiben. Sie haben die Macht, uns in Kategorien einzuteilen, aufgrund derer wir Jobs bekommen oder eben nicht, eine bessere oder schlechtere Krankenkassenprämie angeboten bekommen oder eine Hypothek erhalten oder eben nicht. Sie können aber auch unser Leben retten, indem sie Krankheiten früher erkennen können, als dies ein Arzt kann. Ausserdem kann fast jeder einigermassen mathematisch begabte und interessierte Mensch lernen, einen Algorithmus zu programmieren.

Silvia Tschui, Redaktorin SonntagsBlick Magazin.
Foto: Thomas Meier

Technisch ist also vieles möglich, das uns helfen, aber auch stark schaden kann – wie Facebook und Instagram das bereits tun. Und das Beispiel dieser Social-Media-Plattformen zeigt: Unsere Gesellschaft ist völlig unvorbereitet auf den gesellschaftlichen Wandel, der durch die weite Verbreitung von Algorithmen auf uns zukommt. Denn juristisch ist so gut wie nichts geregelt: Es gibt keine Regulierung, wer überhaupt welche Algorithmen programmieren darf. Und welche Daten wem verkauft werden dürfen, ist ebenfalls eine Grauzone. Experten sind sich einig: Wir brauchen als Gesellschaft dringendst ein Gespräch darüber, wem wir welche Macht über uns anvertrauen wollen. Wir können unsere Zukunft nicht diskussionslos in die Hände einiger weniger Harvard- und Stanford-Absolventen legen und einfach das zulassen, was technisch halt möglich ist. Dafür müsste die Politik länderübergreifend aktiv werden. Eine strenge Regulierung von Facebook wäre dabei erst ein bescheidener Anfang.

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