Kommentar
Das Geschwätz von der Migros-DNA

Die Migros will Globus und Interio abstossen, weil sie nicht mehr zur Migros-DNA gehören. Das ist entlarvendes Management-Geschwätz: Wären sie rentabel, würden sie sehr wohl noch zur Familie gehören.
Publiziert: 29.06.2019 um 23:53 Uhr
Moritz Kaufmann, Wirtschaftsredaktor.
Foto: Shane Wilkinson
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Moritz Kaufmann

Gottlieb Duttweiler war ein Revolutionär im Kleinen. Er erleichterte den Menschen das Leben. Bevor es seine Migros gab, ging man ins Kolonialwarengeschäft und verlangte zum Beispiel Mehl für so viel Geld, wie man im Hosensack hatte. Der Verkäufer wog es mühsam ab, füllte es in eine Tüte und knallte es einem auf die Theke. War man knapp bei Kasse, merkte das der Verkäufer sofort – und verwickelte die Ertappten in ein kleinbürgerliches, manchmal peinliches Gespräch. «Dutti» hingegen wog und verpackte seine Waren von vornherein. 200 Gramm Mehl, 500 Gramm Zucker, Joghurt im Becher. Verkauft wurde es über die Migros-Wagen zu einem runden Betrag. Das war effi­zient und modern.

Solche Migros-Anekdoten von früher erzählen ältere Menschen. Eine gewisse Dankbarkeit schwingt immer mit. Es ist die Migros-DNA, auf die sich das Unternehmen bis heute beruft.

Am Donnerstag verkündete die Migros einen Knüller: Die Tochterfirmen M-Way, Depot, Interio und vor allem Globus sollen allesamt verkauft werden. Am Freitag kamen noch das Fitnesscenter M-Fit und das Poulet-Schnellrestaurant Chickeria dazu. Die Begründung? Sie passen nicht zur Migros-DNA. Das betonte Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen mehrmals. Sie seien woanders erfolgreicher. Man suche nun – Achtung, Managerfloskel-Alarm – einen «Best Owner».

Was also ist es, was die Migros ausmacht? Wann passt eine Firma zur Familie und wann kann man sie abstossen? Nehmen wir eine Firma wie M-Way. Sie verkauft Elektro-Velos zu guten Teilen übers Internet. Ein nachhaltiges Produkt im Zukunftsmarkt. Was bitte soll da nicht zur Migros passen? Oder den Brocken Globus. Seit über 20 Jahren ist das Warenhaus in Migros-Besitz.

Klar: Das Teuer-Image ist nicht das, was die Genossenschaft sucht. Aber: Der rentabelste Teil von Globus ist die Delikatessen-Abteilung. Auch Migros setzt mit «Sélection» auf eine Edeleigenmarke. Und verdient dank hoher Marge gutes Geld damit.

Das Wirtschaften im Detailhandel ist hart geworden, ja gnadenlos. Wer sich nicht fit trimmt, stirbt. Da ist es legitim, dass auch die Migros über die Bücher geht – selbst wenn sie als Genossenschaft keinen Gewinn an Aktionäre ausschütten muss.

Sie ahnen es bereits: Wenn heute die Rede von der Migros-DNA ist, geht es nicht mehr um damals, als die Migros den Menschen das Leben erleichterte. Wären Globus oder Interio rentabel, würden sie selbstverständlich weiterhin zur Migros-DNA passen, von der Fabrice Zumbrunnen am Donnerstag sprach.

Hier geht es um etwas anderes: ums Überleben. Alles andere ist Geschwätz.

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