Drei Chancen – und alle vertan!
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Die Bundespräsidentin am WEF:Drei Chancen – und alle vertan!

BlickPunkt über das WEF und die Schweiz
Drei Chancen – und alle vertan!

Das WEF lockt die ganze Welt in unser Land. Und dann? Dann lassen wir grandiose Chancen zur Selbstvermarktung ungenutzt – weil jedes Jahr ein neuer Bundespräsident, eine neue Bundespräsidentin am WEF macht, was er oder sie will.
Publiziert: 24.01.2020 um 23:08 Uhr
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Aktualisiert: 27.01.2020 um 11:09 Uhr
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe

Kein Zweifel: Das Klima dominierte die 50. Ausgabe des World Economic Forum. Ausser Donald Trump (73) waren alle in Sorge. Angela Merkel (65) nannte die Erderwärmung sogar «eine Frage des Überlebens für den ganzen Kontinent».

Auch Grosskonzerne gaben sich problembewusst – weil ihre Kunden es verlangen: Nestlé präsentierte Pflanzenproteine, die aussehen und schmecken wie Fleisch. Coca-Cola zeigte eine PET-Flasche, die 25 Prozent Plastikabfälle aus dem Meer enthält.

Denn das WEF ist der Moment, in dem die ganze Welt auf die Schweiz blickt! Eine grosse Herausforderung – auch für den Bundesrat, der vollzählig in Davos angetreten war. Unser kleines Land ist nun mal besonders auf gute Beziehungen zu anderen Nationen angewiesen.

Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe.
Foto: Shane Wilkinson

Das Positive zuerst: Die Schweiz nutzte die WEF-Woche erheblich intensiver und professioneller als früher, es gab ein «House of Switzerland», hochkarätige Treffen und attraktive Veranstaltungen, zum Beispiel mit spannenden Start-ups der ETH.

Und doch hat die Schweiz drei grosse Chancen vertan. Die erste gegenüber unseren Nachbarn: Simonetta Sommaruga (59) zeigte sich nach ihrem allerersten Treffen mit der neuen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (61) «zufrieden» und sprach von einem «guten Klima».

Das war Schönfärberei: Die Bundespräsidentin hätte von Verhärtung sprechen können. Denn die Position Brüssels blieb unverändert: Ohne Rahmenvertrag keine Weiterentwicklung des bilateralen Verhältnisses. Zudem pocht die EU auf die Kohäsionsmilliarde.

Dann das Treffen mit dem US-Präsidenten: Wie naiv muss man sein zu glauben, die Schweizer Bundespräsidentin könnte Trumps Haltung zum Klima beeinflussen? Schade um die Zeit mit dem mächtigsten Mann der Welt! US-Botschafter Edward McMullen (55) sprach im BLICK von Vergeudung: «Für meinen Geschmack war dieser Teil etwas zu lang. Jeder kennt die Position des anderen. Niemand wird hier seine Meinung ändern. Dabei haben wir die Gelegenheit, echtes Business zu beiderseitigem Vorteil zu machen. Dafür hätten wir mehr Zeit investieren sollen.»

Die grösste Chance vertat Sommaruga mit ihrer Eröffnungsrede. Wann hat eine Bundespräsidentin schon mal ein so hochkarätiges Publikum? Doch in ihrem ansonsten gelungenen Appell für den Klimaschutz kam die Schweiz gar nicht vor! Sie erwähnte weder unsere Guten Dienste in der Weltdiplomatie noch die innovativen Schweizer Unternehmen, noch unsere erstklassigen Hochschulen, geschweige denn sonst irgendetwas, das unser Land zum Kampf gegen die Klimakatastrophe beitragen kann.

Kein Staatschef der Welt würde am WEF eine Rede halten, ohne sein Land zu erwähnen! Allerdings leistet sich auch keine andere Nation eine Regierung ohne echten Chef, der seinen Ministern die Linie vorgibt. Ausser eben die Schweiz.

Unbestritten: Unser System der verteilten Macht hat viele Vorteile. Der Preis dafür ist jedoch ein aussenpolitisches Hüst und Hott – jeder Bundespräsident und jede Bundespräsidentin setzt jedes Jahr aufs Neue die Prioritäten so, wie er oder sie es gerade für richtig hält.

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