«Die Queen war der stabile Kompass»
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BlickPunkt zur Monarchin:«Die Queen war der stabile Kompass»

BlickPunkt über den Tod der Queen
Die ewige Monarchin

Sie war so wichtig für die Stabilität ihres Königreichs – mitten in der grössten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg muss Grossbritannien jetzt ohne Queen Elizabeth (†96) weitermachen. Bei aller Trauer um diese Jahrhundertfigur: Ihr Tod kann zum Weckruf werden.
Publiziert: 10.09.2022 um 00:21 Uhr
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe

«Wir wussten immer, dass es gut kommt – die Queen war da.» Das sagte eine Britin gestern stellvertretend für Tausende von Trauernden, die sich in London versammelt hatten.

Am Donnerstag hat Elizabeth II. mit 96 Jahren für immer die Augen geschlossen. Sieben Jahrzehnte lang war sie im Amt, erlebte in dieser Zeit 13 US-Präsidenten und 15 britische Premiers – ganz so, als wollte sie ewig da sein.

Jetzt ist die Queen tot – ausgerechnet jetzt!

Christian Dorer, Chefredaktor der Blick-Gruppe.

Ihr Land macht die grösste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg durch. Millionen rutschen in die Armut ab, denn Grossbritannien hängt besonders stark von Gas ab. Bis zu zwei Drittel aller Briten werden im Winter ihre Heizkosten nicht mehr zahlen können – und sich entscheiden müssen: Hungern oder frieren? Die Schlangen vor den Gratisausgabe-Stellen für Lebensmittel werden schon jetzt jeden Tag länger.

Nicht einmal die Queen hätte all diese Probleme lösen können. Doch sie war ein moralischer Kompass, eine unerschütterliche Konstante, ein beruhigender Faktor in dieser immer verrückteren Welt: vertrauenswürdig, pflichtbewusst, humorvoll und – im Gegensatz zu ihrer sonderbaren Familie – zeitlebens frei von Skandalen.

Von welchem Politiker, von welcher Politikerin lässt sich das behaupten?

Ganz bestimmt nicht von den britischen! Im Parlament schreien sie sich gegenseitig an, in kürzester Zeit hat das Land gerade drei Premierminister verbraten: David Cameron (55) hatte sich beim Brexit verspekuliert, Theresa May (65) brachte ihn nicht hin und Boris Johnson (58) veranstaltete lieber Corona-Partys.

Wird jetzt, wo die letzte Stimme der Vernunft im Königreich verstummt ist, alles nur noch schlimmer? Sind auch wir Kontinentaleuropäer noch «nicht bereit für eine Welt ohne Queen», wie Europas grösste Tageszeitung «Bild» vermutet?

Vielleicht geschieht nun das Gegenteil, vielleicht orientieren wir uns in Zukunft sogar stärker an der verstorbenen Elizabeth II. als bisher an der amtierenden. In den letzten Jahren ihres Lebens konnte sie aus gesundheitlichen Gründen kaum noch in Erscheinung treten. Heute ist sie in unseren Köpfen präsenter denn je.

In dieser Zeit der Trauer und des Gedenkens fragt sich hoffentlich auch mancher Politiker häufiger als gewöhnlich: Was würde die Queen sagen? Sie wäre sicher für viele von ihnen ein guter Ratgeber …

Es muss ein schöner Tod sein, wenn man nach 96 Jahren, in Gegenwart der Kinder, für immer einschlafen darf. Politisch kann die Queen weit über ihren Tod hinaus als Fels in der Brandung, als moralische Instanz, als allseits respektierte Persönlichkeit ihre Wirkung entfalten. Weil sie zeitlebens nur eines wollte: das Beste für ihr Land.

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